Die Skepsis war am Anfang groß. Als der frisch gewählte Landrat des thüringischen Saale-Orla-Kreises, Christian Herrgott (CDU), im Februar seine Idee vorstellte, wehte ihm ein eisiger Wind entgegen. Denn die drei Worte Arbeit, Pflicht und Flüchtlinge ließen Kritiker sofort an finstere Zeiten denken. Und als bekannt wurde, daß die zur Arbeit Verpflichteten lediglich 80 Cent pro Stunde erhalten sollten, wuchs die Front der Bedenkenträger.
Doch Herrgott hatte lediglich nach geltendem Recht gehandelt. Paragraph 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes regelt eindeutig: „Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.“ Die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten in Unterkünften ist schon seit langem rechtlich möglich, werde aber von den Kommunen „eher zurückhaltend genutzt“, sagt Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit. Und daß jeder Asylsuchende, der „gesund und nicht gehandicapt ist, arbeiten muß“, hatte Landkreistagspräsident Reinhard Sager schon im vergangenen Herbst gefordert.
Als „rassistisch und menschenverachtend“ bezeichnete Pro Asyl den Vorstoß zur Arbeitspflicht. Menschen „planwirtschaftlich in Hilfsjobs zu packen“, schade Unternehmen, Flüchtlingen und der Gesellschaft insgesamt, wetterte der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch. Landrat Herrgott aber sollte recht behalten: Der Modellversuch erweist sich als Erfolg.
Von den per Bescheid zur Arbeit verpflichteten 110 Flüchtlingen arbeiten inzwischen 30 in Vollzeit. Die Bild-Zeitung berichtet von Same Eltgaz, einem Kriegsflüchtling aus Libyen, der eine Ausbildung zum Anlagenführer bei der Papiermühle Polymertechnik GmbH begonnen hat und deswegen seit Anfang August kein Geld mehr vom Amt beziehen muß. Er bediene „komplexe Maschinen zur Herstellung von Folien vor allem für Lebensmittel“, erzählte der 42jährige stolz dem Boulevardblatt. Die Kollegen seien alle nett und die Arbeit mache Spaß. Lob gibt es vom Betriebsleiter: „Same fragt viel, paßt sich an, ist zuverlässig und lernt immer besser Deutsch.“
Andere Migranten arbeiten dank Verpflichtung inzwischen bei Autozulieferern, bei Amazon, bei McDonalds. Einer hat eine Lehre zum Elektroniker begonnen. Bei anderen machte das Landratsamt Ernst: In 13 Fällen wurden die Sozialleistungen wegen wiederholter Auftragsverweigerung von 460 auf 240 Euro gekürzt. Sechs Asylanten seien untergetaucht.
Daß die Arbeitspflicht bei der Integration hilft, davon ist auch Ulli Schäfer überzeugt, seit Juni CDU-Landrat im Kreis Greiz. Er will sogar rund 250 Flüchtlinge in der Nähe ihrer Unterkunft beschäftigt sehen. Das Projekt startete Anfang des Monats mit 15 Asylbewerbern, die den Mitarbeitern des städtischen Betriebshofes bei der Grünpflege helfen sollen. Wer seiner Arbeitspflicht nachkommt, erhält zum Regelsatz achtzig Cent pro Stunde zusätzlich, wer sich der Arbeit verweigert, muß mit Sanktionen rechnen.