Das nächtliche Schlachten findet nicht statt. Auch kein Kannibalismus unter Artverwandten. Die Wissenschaftler geben Entwarnung. Daß sich Tigerschnegel (Limax maximus) bei Finsternis über Nacktschnecken hermachen, läßt sich nicht nachweisen. Offenbar vergreifen sie sich nicht einmal am Gelege. „Als Beutetiere, auf die sie explizit Jagd machen, sehen sie andere Nacktschnecken nicht“, räumt Michael Schrödl, Molluskenforscher und Schneckenexperte der Zoologischen Staatssammlung München, mit gängigen Klischees auf. Allerdings können sie Nacktschnecken verbeißen, die ihrem Revier zu nahe kommen.
Es bleibt also dabei: Die verhaßte Spanische Wegschnecke hat kaum Freßfeinde. Selbst Kröten, Maulwürfe, Igel und Vögel, auf deren Speisezettel Schnecken stehen, schreckt der bittere Schleim ab, den diese Schnecken absondern. In diesem Jahr ist das besonders spürbar. Im vergangenen Herbst hat die Vorgängergeneration reichlich Eier – jede Schnecke legt bis zu 400 Eier – hinterlassen und dank des milden Winters schlüpften im März aus fast allen Schnecken. Ganze Horden der rostbraunen Tiere schleimen seitdem nächtens durch die Gärten, machen sich über Blumen und Gemüse her und wachsen und wachsen. Bis zu 15 Zentimeter können sie lang werden, und „alles, was Blatt ist, wird gefressen“, sagt Dorothee Meier vom Bremer Naturschutzbund (Nabu).
Keine eingewanderte invasive Art, sondern heimischer Ureinwohner
Inzwischen steht die Schnecke auf der Liste der 100 Tier- und Pflanzenarten, die europaweit den größten negativen Einfluß auf biologische Vielfalt, Wirtschaft und Gesundheit haben. Sogar die EU-Bürokraten tüfteln an einer Verordnung zur Eindämmung dieser kriechenden Gefahr. Wann diese dem Parlament beziehungsweise den Mitgliedsländer vorgelegt wird, ist allerdings offen. Zumal die Spanische Wegschnecke längst nicht in allen heimisch ist. Beispielsweise kommt sie in Spanien gar nicht vor. Das haben Studien des Biodiversität- und Klima-Forschungszentrums (BiK-F) sowie der Goethe-Universität Frankfurt ergeben.
Die Wissenschaftler haben an 60 Orten in Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Beneluxländern Wegschnecken gesammelt und bestimmt, aber nicht ein einziges Exemplar der Schnecke in ihrem vermeintlichen Herkunftsgebiet gefunden. Statt der Spanischen Wegschnecke habe man „zahlreiche mit herkömmlichen Methoden nicht bestimmbare, sogenannte kryptische Arten gefunden“, erläutert Biologieprofessor Markus Pfenninger, der am BiK-F und der Goethe-Uni forscht und lehrt. Viele der untersuchten Exemplare konnten keiner bekannten genetisch charakterisierten Art zugeordnet werden.
Letztlich führten die Untersuchungen zu der Erkenntnis, daß es sich bei der Spanischen Wegschnecke gar nicht um eine eingewanderte invasive Art, sondern um einen mitteleuropäischen Ureinwohner handelt, auf den natürlich die EU-Verordnung zur besseren Kontrolle, Eindämmung und Bekämpfung invasiver Arten nicht angewendet werden kann. Warum sich die Tiere seit einigen Jahren geradezu explosionsartig ausbreiten, ist unklar: „Vielleicht hat sich die Schneckenart in den vergangenen Jahrzehnten einfach aufgrund veränderter landwirtschaftlicher Anbaumethoden so stark vermehrt, daß es uns wie eine Invasion erscheint“, vermutet Pfenninger.
Um die gefürchteten Tiere aus dem Garten fernzuhalten beziehungsweise sie wieder zu vertreiben, gibt es eine Vielzahl von Methoden: Grundsätzlich sollte man es den Schnecken möglichst ungemütlich machen, indem Beete möglichst sonnig plaziert und die Pflanzen nur punktuell, am besten morgens, gegossen werden. Um den Garten schneckenfrei zu halten, könnten Ringelblumen, Rosmarin oder Salbei oder giftige, aber dekorative Pflanzen wie Akelei, Kornblume, Pfingstrose sowie Gräser und Farne angepflanzt werden oder Gemüsesorten, die Schnecken nicht mögen, wie beispielsweise Kartoffeln, Tomaten, Schnittlauch, Zwiebeln, Petersilie, Rettich, Radieschen oder Spinat. Widerstandsfähig gegen Nacktschnecken sind auch Brennesseln, aus denen sich zwar leckere Suppe machen läßt, aber ansonsten im Garten wenige Freunde finden.
Der Fachhandel empfiehlt den Kauf von Schneckenzäunen, die von diesen nicht überklettert werden können. Diese lassen sich auch selber basteln, findet das Internetportal chip.de und wirbt dafür, ein doppelseitiges Klebeband an den Rändern des Beets oder des Topfes zu befestigen und Kronkorken darauf umgedreht zu befestigen, so daß ein Zaun entsteht: „Die gezackte Form der Bierdeckel sorgt dafür, daß Schnecken nicht darüber klettern können.“ Auch rund ums Beet gelegte Kupferbänder werden von den Tieren gemieden. Balkonkästen, Töpfe oder Saatschalen bleiben schneckenfrei, wenn sie Ränder haben, die für Schnecken unüberwindbar sind, weil diese 90-Grad-Hürden nicht meistern können. Als wenig effektiv gelten Bierfallen, die zwar Nacktschnecken anlocken, in denen aber nur ein kleiner Teil ertrinkt. Wer den Salattrick anwendet, kann morgens bis zu 30 Schnecken einsammeln: Einfach Abends Salatblätter unter einem feuchten oder nassen Sack auslegen.
Auf keinen Fall die Schädlinge lebend in der Mülltonne entsorgen
Die häufig angewandte Praxis, getrockneten Kaffeesatz um seine Pflanzen zu verteilen, weil Schnecken dessen Geruch als abstoßend empfinden, verbietet sich dagegen, weil der Gesetzgeber Kaffeesatz wie auch Salz als nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel betrachtet, warnt der Bremer Nabu. Besser sei es, um die Beete eine breite Schicht aus Sägemehl und Kalk zu streuen, da Schnecken rauhe Oberflächen meiden und der Kalk ihre Sohle verätzt. Allerdings bedeutet das nach jedem Regen eine Erneuerung der erlaubten Abschreckungsmaßnahme.
Außerdem sollten Gärtner sich die Mühe machen, die Tiere – genaue Kenntnisse der Arten vorausgesetzt – bereits im Frühjahr einzusammeln und zu zerschneiden, so das Umweltbundesamt. Auf keinen Fall sollen die Schnecken lebend in einer Mülltonne entsorgt werden, denn dort kriechen sie entweder wieder heraus oder ersticken qualvoll. Sie sollten nicht im Wald ausgesetzt werden, da sie dort wiederum zur Konkurrenz für andere Arten werden können. Auch lohnt sich die Suche nach den milchig-weißen Eiern – unter der Regentonne, dem Pflanzkübel, in Ritzen und Spalten, in Erdlöchern oder lockeren Steinen. Hier reicht es, den Fund freizulegen, weil die Eier in der Sonne vertrocknen oder von Vögeln aufgepickt werden.
Sorgen bereitet die schnelle Ausbreitung der Spanischen Wegschnecke übrigens nicht nur Gartenbesitzern, sondern auch Naturschützern. Nicht nur, daß die Schneckenart zum Verschwinden der Roten Wegschnecke gesorgt hat, für Heike Reise, Malakologin am Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Spanische Wegschnecke auf ihrem Invasionskurs auch den Wald als Habitat entdeckt und dort die dort lebende Schwarze Wegschnecke verdrängt. Immerhin legt die gefürchtete Schnecke bis zu 20 Meter in einer Nacht zurück.
zsm.snsb.de/gesamtgenom-spanische-wegschnecke/
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