Ein weiteres Erscheinen der taz als gedruckte Ausgabe würde im Jahr 2026 ein Loch von 1,5 Millionen Euro in die Kasse der Verlagsgenossenschaft reißen. Das geht aus einer E-Mail der Geschäftsführerin Aline Lüllmann an die „lieben Genoss*innen“ hervor, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Der Verlag hatte bei seiner Genossenschaftsversammlung in Berlin vergangenen Samstag verkündet, ab dem 17. Oktober 2025 die gedruckte Ausgabe wochentags einzustellen. Stattdessen sollen die Internetseite völlig neu gestaltet sowie die E-Paper und die taz-App ausgebaut werden. Lediglich für die Wochenzeitung wochentaz ist weiterhin eine Druckausgabe vorgesehen. Auf der Versammlung im Festsaal Kreuzberg stimmten laut Lüllmann „fantastische 76,77 Prozent unserem gewählten Weg zu“.
Eine andere Abstimmung dürfte den Zeitungsmachern allerdings Sorgenfalten auf die Stirn treiben: Nur 69,18 Prozent der „vor Ort und im Stream anwesenden Genossinnen“ erklärten ihre Bereitschaft, „nach dem 15. Oktober 2025 ihr taz-Abo für mindestens zwei Jahre weiterzuführen“. 15,74 Prozent schlossen das aus, und 15,08 Prozent waren unentschieden.
Das heißt: Durch die Abschaffung der werktäglichen Druckausgabe könnte die taz schon unter ihren Teilhabern mindestens jeden dritten Leser verlieren. Da mag sich mancher Genosse nicht ausmalen, wie die übrigen, weniger engagierten Leser auf den Schritt reagieren werden. An die nicht anwesenden der insgesamt 23.000 Genossen richtete die Geschäftsführerin daher einen flehentlichen Appell: „Wir bitten auch euch darum, daß ihr bei uns bleibt.“ Und weiter: „Wenn ihr ein Abo habt, bitten wir euch also ganz konkret, mindestens zwei Jahre nach diesem Zeitpunkt das Abo nicht zu kündigen.“ Dafür fordert die Geschäftsführerin die Abgabe einer „Selbstverpflichtung“.
Laut Lüllmanns Rundbrief gebe es finanziell „nicht viel Interpretationsspielraum“. Auch trotz einer Abo-Preiserhöhung um drei Prozent werde es im nächsten Jahr zu „leichten Verlusten“ kommen. 2026 würde es dann die siebenstellige Lücke geben, die „wir nicht in den Journalismus, in Rechercheprojekte oder, wie in diesem Jahr, in den Einsatz von Kolleginnen im Osten und in die Berichterstattung aus der Zivilgesellschaft zu den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stecken können“. Außerdem wären die Arbeitsplätze von „tazler*innen“ gefährdet: „Und das schadet dem Journalismus.“
Die zwei taz-Chefredakteurinnen Barbara Junge und Ulrike Winkelmann hatten noch versucht, Optimismus zu verbreiten und betont, „die taz ist nicht in der Krise: wir agieren aus einer Position der Stärke heraus“. Die seit 2018 vorangetriebenen technischen Umbrüche könnten vielmehr „Kräfte für noch mehr Journalismus freisetzen, damit die taz die wichtigste linke, progressive Stimme in der deutschen Medienlandschaft bleibt“.