© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/24 / 20. September 2024

Zeitschriftenkritik: Crisis
Erlerntes Wissen & Transhumanismus
Werner Olles

Die Sommer-Ausgabe 2024 des vierteljährlich erscheinenden Journals für christliche Kultur Crisis wartet mit dem Schwerpunktthema „Künstliche Intelligenz“ auf. Bereits im Editorial läßt die Redaktion keinen Zweifel daran aufkommen, daß es nicht darum geht, Technologie als solche zu bekämpfen, sondern vielmehr, die mit ihrem Mißbrauch verbundenen negativen moralischen, kulturellen, sozialen und ethischen Folgen zu vermeiden. Es sei daher entscheidend, sich kritisch mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen, denn tatsächlich gebe es heute schon Geistliche, die ihre Predigten von ChatGPT generieren ließen, und auch „Segensroboter“ existierten bereits. Auf dem evangelischen Kirchentag 2017 habe eine KI einen ganzen Gottesdienst geleitet, und auch die Beichte könne inzwischen digital abgelegt werden, Den Segen spende dann ein Roboter wie „BlessU-2“, der als Kunstinstallation bekannt wurde.

Der Informatiker und orthodoxe Theologe Nicolae Robert Geisler beschreibt in seinem Beitrag „Geschichte und Konzepte der Künstlichen Intelligenz“ das in den 1940er Jahren beginnende Computerzeitalter als die eigentliche Geburtsstunde der modernen KI, während die neunziger Jahre eine entscheidende Dekade für ihre Weiterentwicklung waren, als 1997 das Computerprogramm DeepBlue den amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow in einem Wettkampf besiegte. Sie brachten auch den Aufstieg der lernbasierten Systeme, bei denen die KI selbständig aus riesigen Datenmengen lernt und ihr erlerntes „Wissen“ heuristisch einsetzt.

Der Schriftsteller und Kulturjournalist Walker Larson fragt, ob die Künstliche Intelligenz ein dämonisches, transhumanistisches Trojanisches Pferd sei. Der transhumanistischen Agenda gehe es um den Grundsatz „Wissen ist Macht“, wobei die Grenze zwischen dem Okkulten und der Wissenschaft sehr dünn sei. Für Larson beschwört der transhumanistische Wahn Phantasien herauf, daß wir uns selbst retten können, daß wir Gott nicht brauchen, daß wir sogar Gott sind. Es scheine die Zeit anzubrechen, in der der Mensch „obsolet“ werde, ersetzt durch KI oder den transhumanistischen Traum vom Mensch-Maschine-Cyborg und der totalen Kontrolle über die Natur. 

Weitere Beiträge in dem Heft: „Abschaffung der Materie“ (Eva Rex), „KI und die Religion der Zukunft“ (Priester Jeremy McKemy), „Cyber-Unsterblichkeit – Betrachtungen über den technologischen Posthumanismus“ (Roland Chr. und Anna-Maria Hoffmann-Pietsch), „Die Furcht der Zauberlehrlinge vor ihrer Kreatur“ (Nicolae Robert Geisler) und „Michail Alexandrowitsch Wrubel – Der russische Symbolist, der seine Seele verkaufte“ (Gregor Fernbach).


Kontakt: Crisis, Feldstraße 5, 47669 Wachtendonk. Das Einzelheft kostet 12,50 Euro, ein Jahresabo 38 Euro. www.crisis-journal.de