© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/24 / 20. September 2024

Kalifornische Giganten unterliegen in Luxemburg
EU-Politik: Europäischer Gerichtshof bestätigt EU-Milliardenstrafen gegen Apple und Google / „Harmonisierung“ der Unternehmenssteuern droht
Albrecht Rothacher

Die scheidende dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager war zu Tränen gerührt. Ihr zehnjähriger Kreuzzug gegen US-Konzerne, der schon bei Starbucks und Amazon spektakulär gescheitert schien, wurde endlich siegreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgeschlossen. Die EU-Strafen ihrer Wettbewerbsgeneraldirektion, die Ankläger und Richter zugleich ist, gegen Google und Apple wurden in Luxemburg letztinstanzlich für Recht befunden. Google muß wegen Wettbewerbsmißbrauch 2,4 Milliarden Euro an die EU zahlen und Apple als Steuernachzahlung 13 Milliarden Euro an den irischen Fiskus, der diesen Betrag eigentlich gar nicht haben wollte.

Mit den EU-Zensurbestimmungen des Digital Markets Act (DMA) haben die beiden Urteile nichts zu tun. Google hatte auf seinem Preisvergleichsdienst „Google Shopping“ die eigenen Angebotsvergleiche visuell attraktiver dargestellt als jene der Konkurrenz, die unter „ferner liefen“ nachgereiht waren. Dies galt für die EU-Kommission und die Luxemburger Richter als Wettbewerbsverzerrung und Mißbrauch seiner Marktmacht, da die Suchmaschine über einen Weltmarktanteil von 90 Prozent verfügt und Mitbewerber auf seinen Datenverkehr angewiesen sind. Insofern ist der Fall klar.

Politisches Gericht, dessen Richter nach Proporz benannt werden

Viel problematischer dagegen ist das Urteil gegen Apple. Der amerikanische iPhone-Gigant, der eigentlich in den USA besteuert wird, hatte für seinen europäischen Unternehmenssitz in Cork im Jahr 1980 mit Irland eine nur symbolische Unternehmenssteuer im Dezimalbereich ausgehandelt, so wie dies in den Niederlanden, Luxemburg, Zypern und in Osteuropa in der EU auch gang und gäbe ist. Das Steuerrecht fällt in ausschließlich nationale Kompetenz und geht daher die EU nichts an. Doch urteilten Vestager und ihre Generaldirektion anno 2016, jene Steuerrabatte seien als eine verdeckte indirekte Staatsbeihilfe zu werten, die aus ihrer Sicht illegal sei. Apple wurde gezwungen, 13 Milliarden Euro auf ein irisches Sperrkonto einzuzahlen.

Bei etwa 190 Milliarden Euro Halbjahresumsatz für Apple kein großer Aderlaß. Doch Irland wollte das Manna nicht: Gefährdet es doch sein Geschäftsmodell als „keltischer Tiger“ und Steueroase für Hightech-Ansiedlungen. Während die Kommission mittlerweile bei direkten Staatsbeihilfen, siehe die versprochenen Ampel-Milliardenzuschüsse für die Chip-Werke der amerikanischen Intel und der taiwanesischen TSMC alle Augen zudrückt und einen rechtswidrigen ungehemmten Subventionswettlauf EU-weit zuläßt, möchte sie bei der „Harmonisierung“ der Unternehmenssteuern – nach oben natürlich – einen Fuß in die Tür bekommen. Dem hat das Grundsatzurteil nun Tür und Tor geöffnet.

Denn der EuGH ist ein politisches Gericht. Seine 27 Richter werden von den Regierungen je nach Koalitionsproporz benannt. Ob sie vom Europarecht eine Ahnung haben, spielt dabei in der Regel keine Rolle. So benannte Deutschland unter Kanzler Gerhard Schröder einmal eine Arbeitsrechtlerin aus Bremen vom linksgrünen Parteiflügel und Österreich eine sozialistische Kurzzeit-Justizministerin, der sogar die nationale Befähigung zum Richteramt fehlte. Das ist aber kein Problem. Denn am Luxemburger EuGH – Budget 2024: 504 Millionen Euro – gibt es elf Generalanwälte und 2.300 Mitarbeiter, deren Bürokratie die Urteile im Sinne des Brüsseler Apparats und des eigenen Fallrechts vorformuliert. Diese Ausarbeitungen werden den 27 EuGH-Richtern jeweils zur Unterschrift vorlegt. Diesen Spruch können sie dann entweder in roten Roben für ein schönes Gehalt feierlich unterschreiben und vorlesen oder aber ein eigenes abweichendes Urteil fällen, das jedoch viel Schweiß und eigene Geisteskraft voraussetzt. Dreimal darf man raten, was in jenem Gerichtshof, der sich selbst zu Europas höchstem Verfassungsgericht aufgeschwungen hat, in der Regel passiert.


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