© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/24 / 20. September 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Konrads Erbe verwahrlost
Paul Rosen

Als der Bundesrat vor kurzem sein 75jähriges Jubiläum in Bonn feierte, konnte die amtierende Präsidentin Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, die Gäste des Festakts im früheren Sitzungssaal der Länderkammer begrüßen. In dem Saal hatte der Bundesrat 50 Jahres lang getagt, ehe er nach Berlin ins frühere Preußische Herrenhaus umzog. Der Saal ist weitgehend unverändert geblieben, fast so, als sollte der Betrieb in Kürze wieder aufgenommen werden.

Ein anderes, mindestens ebenso bedeutsames historisches Gebäude aber, das Palais Schaumburg,  rottet langsam vor sich hin. Es war der Sitz der Bundeskanzler, seit Konrad Adenauer 1949 einzog. Ludwig Erhard residierte dort ebenso wie Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt. Letzter Nutzer war Helmut Schmidt, der seine Amtsräume 1976 in das ganz in der Nähe gebaute neue Kanzleramt verlegen mußte. Schmidt wäre lieber im Palais geblieben, dem Neubau attestierte er den „Charme einer rheinischen Sparkasse“. Helmut Kohl ließ das Palais herrichten und Adenauers Arbeitszimmer im Originalzustand wiederherstellen. Denn hier wurden die Weichen für wichtige Entscheidungen wie den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft und zur Nato gestellt.

1990 wurde im Palais Schaumburg der Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion zwischen Bundesrepublik und der damaligen DDR unterzeichnet. Kohl und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow unterschrieben hier einen Vertrag über gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit. Es gibt nicht viele Orte, die für die Bundesrepublik eine so große Bedeutung hätten. Wenn Bundesratspräsidentin Schwesig in ihrer Jubiläumsrede erklärte, Bonn stehe für den gelungenen demokratischen Neuanfang nach dem Krieg, dann stellt sich die Frage, warum die Bundesrepublik eines ihrer herausragenden Symbole dort verrotten läßt.

Denn das Kanzleramt will das zunächst von seiner Bonner Zweigstelle genutzte Palais nicht mehr haben. Deren Mitarbeiter sind schon seit langem in den früheren Sitz des Presseamts umgezogen; das Palais ist sanierungsbedürftig. Schadstoffe wurden entdeckt, der Brandschutz ist mangelhaft. Die Sanierung schleppt sich seit Jahren dahin. Daß man das Gebäude aufgeben und der Bundesimmobilienverwaltung überstellen will, hat in Bonn für Empörung gesorgt. Die örtliche CDU hält es für die Pflicht der Regierung, „dieses bundesrepublikanische Erbe weiter zu pflegen“.

Im Bundeshaushalt findet sich zwar der Posten „Sanierung des Palais Schaumburg“ mit 16,254 Millionen Euro. Doch für das nächste Jahr ist kein einziger Euro eingeplant, erst ab 2026 sind Ausgaben vorgesehen. Und ob es für die Öffentlichkeit jemals wieder Zugang zu Adenauers Arbeitszimmer geben wird, ist sehr ungewiß. Denn dem Haushalt ist zu entnehmen, daß das Gebäude nach einer Sanierung vermietet werden soll und der Bund Mieteinnahmen erwartet.