© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

Kabinenklatsch
Dänen lügen nicht
Ronald Berthold

Beim Achtelfinalspiel saß in der Kneipe ein Mann mit Wikingermütze in den dänischen Nationalfarben neben mir. Nach dem aberkannten deutschen Tor von Schlotterbeck kamen wir ins Gespräch. Im Laufe des Spiels erzählten wir uns gegenseitig immer mehr voneinander. So kam raus, daß wir beide einen Zwillingsbruder haben – seiner war in Dortmund im Stadion live dabei –, daß wir beide 1969 geboren sind – und daß wir denselben Vornamen tragen. 

Und natürlich, daß wir beide leidenschaftliche Fußballfans sind. Selbstverständlich klammerten wir auch das EM-Endspiel von 1992 nicht aus, als Dänemark sensationell unser Team schlug und Europameister wurde. Bei soviel Gemeinsamkeiten luden wir uns abwechselnd immer wieder zum Bier ein.Es unterschieden uns eigentlich nur zwei Dinge: Wir fieberten naturgemäß mit unterschiedlichen Mannschaften, und er ist vehement gegen den Videobeweis, derweil ich ihn als Instrument der Gerechtigkeit verteidigte. Allerdings wurde ich bei der Auslegung während des Spiels doch etwas kleinlaut. Daß das vermeintliche dänische Führungstor wegen einer Fußspitze, die sich im Abseits befand, aberkannt wurde, ist genauso regelgerecht wie das Handspiel, das kurz darauf zum Elfmeter und zur deutschen Führung führte. Beides war aber mit menschlichem Auge nicht wahrnehmbar. Nun könnte man sagen, wie gut, daß die Technik da weiterhilft. Sitzt aber ein sympathischer Däne neben einem, überkommt einen das schlechte Gewissen. Statt 0:1 hieß es innerhalb weniger Minuten 1:0. So wollte ich eigentlich nicht gewinnen. Wie auch immer: Wir verabredeten uns, gemeinsam auch das deutsche Viertelfinalspiel zu schauen. Eine neue Freundschaft ist geboren.