Zwei frühere Kapitäne, ein Chefingenieur und ein kaufmännischer Mitarbeiter haben sich zusammengetan, um die Geschichte vom schnellen Aufbau der DDR-staatseigenen „Deutschen Seereederei“ (DSR) zwischen 1952 und 1989 und deren jahrzehntelang sich hinziehendes Absterben bis 2008 niederzuschreiben. Sie haben ihre Aufgabe mittels informativ geschriebener Beiträge erfüllt und sogar freigegebene CIA-Berichte über den Zustand der „Deutschen Seereederei“, die im militärischen Konfliktfalle Seetransporte hätte ausführen sollen, in ihre Geschichtsschreibung einbezogen.
In der stets klammen DDR-Wirtschaft drehte sich von Anbeginn an ungeachtet aller betriebswirtschaftlichen Erfordernisse alles um den schnellen Zugang zu frei konvertierbaren Devisen. Man erkannte schnell, daß ein DDR-eigenes Seetransportunternehmen einerseits für die eigene Exportwirtschaft Frachtraten in konvertibler Währung einzusparen versprach und man andererseits durch Lohnfracht zusätzlich weitere konvertible Währung einspielen konnte. Schnell wuchs deshalb die „Deutsche Seereederei“, die anfangs nur über Uraltfrachter verfügte, da die DDR-Schiffsproduktion fast ausschließlich als Reparationslieferung an die Sowjetunion ging, zu einem lukrativen Großunternehmen mit zeitweise über 200 Schiffen heran.
Man kaufte hierbei, zäh verhandelnd, gebrauchte westliche Handelsschiffe und ergänzte diesen Schiffsbestand später durch Eigenproduktionen. Diese mußte man der einseitig auf den Export in die Sowjetunion ausgerichteten DDR-Schiffsbauindustrie förmlich entreißen. Besonders in der Nord- und Ostseeschiffahrt, im Mittelmeer und in der Asienschiffahrt war die DSR aktiv.
Eine Besonderheit der DSR war die Anwesenheit von häufig schiffahrtsfremden Politoffizieren an Bord, welche die nötige Linientreue der Besatzung überwachten und dementsprechend unbeliebt waren. Die DSR suchte und fand trotzdem stets arbeitswilliges Personal, wozu die in Dollar gezahlten Bordhandgelder ebenso wie die günstigen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten beitrugen. Ein mit 16 Jahren eingetretener seemännischer Lehrling konnte nämlich bereits mit Ende 20 Kapitän eines Handelsschiffes sein und einen für DDR-Verhältnisse extrem guten Verdienst beziehen.
Die Buchverfasser berichten eine Reihe von Interna aus der DSR, detailliert wird beschrieben, wie aufgrund von Fehlentscheidungen der Treuhand die an sich überlebensfähige DSR nach 1990 an die bereits heftig angeschlagenen Bremer „Senator“-Lines verkauft wurde und durch den Bankrott der Muttergesellschaft „Bremer Vulkan“ in einen jahrelangen, bis 2008 dauernden Sterbeprozeß hineingerissen wurde.
Gerd Peters, Peter Jungnickel u.a.: DSR-Lines intern – Insider erzählen. Vom schnellen Aufbau und langsamen Ende der DDR-Handelsflotte. Books on Demand, Norderstedt 2024, gebunden, 320 Seiten, Abbildungen 74,99 Euro