Anfang 1794 schien der Aufstand der Vendée, der im Vorjahr mit der Vernichtung der katholischen und königlichen Armee bei Savenay geendet hatte, endgültig niedergeschlagen. Doch Terrormaßnahmen des Wohlfahrtsausschusses ließen die Rebellion von neuem aufflammen und die Republik den sicher geglaubten Sieg fast verspielen.
Das Jahr 1794 fing für die Royalisten in der Vendée bitter an. In den ersten beiden Januarwochen wurden in Nantes an die 1.000 und auf der Insel Noirmoutier 1.500 aufständische Vendéens durch die Exekutionskommandos der republikanischen Armee standrechtlich erschossen. Unter den Opfern befand sich auch der Comte d’Elbée, der bis zur Schlacht von Cholet Oberbefehlshaber der katholischen und königlichen Armee gewesen war. Sein Nachfolger Henri de La Rochejaquelein überlebte ihn nur kurz. Am 29. Januar wurde er bei einem Gefecht mit den „Blauen“ von einem Soldaten der Republik aus dem Hinterhalt erschossen.
Der Aufstand in der Vendée schien endgültig niedergeschlagen, die Flamme der Rebellion ausgetreten. Aber die Abgeordneten des Nationalkonvents wünschten die Saat des Royalismus ein für allemal ausgerottet. In Frankreich war unter der Ägide Maximilien de Robespierres die Schreckenszeit angebrochen, in der Tausende unter nichtigen Vorwänden guillotiniert wurden. Der Wohlfahrtsausschuß wollte die Vendée in Blut ertränken und fand in dem 37jährigen General Louis-Marie Turreau ein williges Werkzeug für das Vernichtungswerk. Turreau erklärte sich am 19. Januar bereit, die „Briganten“ – so der Schmähname der Vendéens – mit Stumpf und Stiel auszurotten: „Alle Briganten, welche mit der Waffe in der Hand angetroffen werden, werden mit dem Bajonett aufgespießt, genauso wie ihre Töchter, Frauen und Kinder, die unter denselben Umständen angetroffen werden. Personen, die nur des Widerstands verdächtig sind, werden nicht mehr verschont.“ Bei diesen blutigen Vorsätzen blieb es nicht. Zum Vernichtungsprogramm der Vendée gehörte auch der Auftrag, alle Orte, Klöster, Kirchen, Felder, Wälder und Kornvorräte zu verbrennen sowie die royalistische Bevölkerung zu dezimieren. Zur Erreichung des Ziels teilte Turreau zwölf Divisionen in 24 Kolonnen auf, die jeweils 800 Mann stark waren. Dann begann er seinen grausamen Feldzug.
Auf der Seite der Königlichen gab es nur wenig Männer, die sich anfänglich Turreaus Kolonnen entgegenstellten. Einzig im sumpfigen Süden der Vendée regte sich ernsthafter Widerstand. Mutig nahmen der „König der Vendée“, Ex-Offizier François Athanase de Charette de la Contrie, genannt „Charette“, und der einstige Schweizer Gardist Jean-Nicolas Stofflet mit ihren Freischaren den Kampf auf, dem sich immer mehr Menschen aufgrund der Grausamkeit der Republikaner anschlossen. Mehrmals schlugen die Vendéens die Kolonnen Turreaus, der aufgrund seiner Vernichtungsexzesse und militärischen Erfolglosigkeit letztendlich vom Wohlfahrtsausschuß im Mai 1794 abgesetzt wurde. Das Scheitern Turreaus und der Sturz Robespierres im Juli 1794 bewirkten eine Kehrtwende in der Politik der Französischen Republik gegenüber den Aufständischen.
Auch die zweite royalistische Reconquista scheiterte kläglich
Frankreichs neue Regierung schloß im Februar 1795 nach zähen Verhandlungen mit Charette das Abkommen von La Jaunaye. Der Friedensvertrag versprach den Vendéens die Befreiung vom Wehrdienst, eine Generalamnestie, finanzielle Entschädigungen, das Recht, Waffen zu tragen und die Religionsfreiheit – kurzum, die Beseitigung aller Mißstände, die zum Aufstand geführt hatten. Der Bürgerkrieg schien beendet. Der Frieden hielt jedoch nur wenige Monate. Bereits am 8. Juni verstarb der erst zehnjährige Ludwig XVII., der Sohn Ludwigs XVI. von Frankreich, unter ungeklärten Umständen in seinem Gefängnis im Tempel von Paris, was dazu führte, daß Charette am 24. Juni den Frieden brach.
Die Wiederaufnahme des Kampfes um die Vendée erfolgte zeitgleich zur Landung der royalistischen Emigrantenarmee bei Quiberon in der Bretagne. Am 27. Juni 1795 schiffte die englische Flotte 8.000 Royalisten unter Führung von Joseph de Puisaye und Louis-Charles d‘Hervilly in Carnac aus. Das Unternehmen begann gut. Gleich zu Beginn eroberten die „Weißen“ Carnac. Aber Puisaye und d’Hervilly verplemperten kostbare Zeit mit Kommandostreitigkeiten, was ihrem republikanischen Gegenspieler General Lazare Hoche Zeit gab, Truppen heranzuziehen und das royalistische Heer in mehreren Gefechten auf die benachbarte Halbinsel Quiberon zurückzudrängen. Damit war die Invasion der Weißen gescheitert. Der Großteil der Emigrantenarmee schiffte sich nach weiteren verlustreichen Gefechten wieder nach England ein. Doch nicht allen gelang die Flucht. Etwa 6.000 Chouans und Emigranten ergaben sich mit ihren Familien Hoche gegen das Versprechen, am Leben gelassen zu werden. Hoche sicherte dies zu, konnte indes nicht verhindern, daß 750 der „Weißen“ wenig später standrechtlich erschossen wurden.
Ungeachtet dieses Rückschlags arbeitete Charette unermüdlich an der Vorbereitung einer zweiten Landung einer Emigrantenarmee unter Führung Karl von Bourbons, des Grafen von Artois, der später als Karl X. König von Frankreich werden sollte. Diesmal schien der Versuch erfolgversprechender. Allein auf die Meldung hin, daß ein Mitglied der königlichen Familie die Invasionsarmee anführen sollte, stießen noch einmal 15.000 Mann zu Charette. Vergeblicher Enthusiasmus! Der zweite Versuch einer royalistischen Reconquista Frankreichs scheiterte noch kläglicher als der erste. Nach sechswöchigem Aufenthalt auf der Ile d’Yeu zog sich Karl von Bourbon feige nach Großbritannien zurück, ohne auch nur einen Fuß auf Frankreichs Boden gesetzt zu haben.
Nun hatte General Lazare Hoche, der mittlerweile zum Oberbefehlshaber der Armee des Westens befördert worden war, leichtes Spiel. In Scharen gaben die Vendéens die königliche Sache auf, als sie vom Rückzug des Bourbonenprinzen hörten. Unbarmherzig blies Hoche zur Jagd auf die „Räuberhauptmänner“ Charette und Stofflet, der bereits im Februar von den Republikanern gefangengenommen und hingerichtet wurde. Charette erging es nicht besser. Gehetzt wie ein Tier, verwundet in mehreren Gefechten, fiel er am 23. März in der Chaboterie in Saint-Sulpice-le-Verdon in Feindeshand. Nur sechs Tage später starb der „König der Vendée“ in Nantes unter der Salve eines Exekutionskommandos. Die Kugeln, die ihn niederstreckten, beendeten offiziell den großen Aufstand der Vendée. Nun wanderte der Staffelstab der Gegenrevolution endgültig in die Hände der Chouans, bis auch sie 1800 von der Republik bezwungen wurden.
Die Kämpfe und der republikanische Terror hatten 117.000 Vendéens das Leben gekostet und Hunderte Dörfer sowie Dutzende Städte verwüstet. Die Republik hatte den Bürgerkrieg gewonnen, jedoch einen Pyrrhussieg errungen. Im Boden der bezwungenen Provinz blühte die Saat des Hasses heimlich weiter, bereit jederzeit aufzugehen, wenn die außenpolitische Situation es zuließ. In den Jahren 1799/1800, 1815 sowie 1832 brachen noch einmal Aufstände in der Vendée aus, die allesamt schnell niedergeschlagen wurden.
In der Einordnung des Geschehens herrscht noch heute unter französischen Historikern geteilte Meinung darüber, ob der Krieg in der Vendée als Völkermord einzuordnen ist oder nur eine Aneinanderreihung zahlloser Kriegsverbrechen war. Die Debatte ist nur zulässig hinsichtlich der Anfangsphase des Konflikts. Spätestens ab Herbst 1793 erfolgte die systematische Vernichtung der Vendéens durch geplante Massaker, was alle rechtli-chen Aspekte eines Völkermords erfüllt.