Es gibt Klassikerformate im TV, vom Auslandsmagazin über Test-Ratgeber bis zu Straßenumfragen und Polit-Talks. Doch in (digitalen) Zeiten von mangelnder Perspektivenvielfalt und sinkendem Vertrauen in Medien wie sie kürzlich der „Reuters Institute Digital News Reports 2024“ feststellte, löst das Internet das lineare Fernsehen zunehmend als Nachrichtenquelle ab. Im Netz gibt es längst ähnliche Formate, nur daß sie spannender, authentischer und näher an jungen Zuschauern dran sind. Insbesondere Youtube ist das neue Lagerfeuer im handlichen Format.
Reiseblogger gibt es zwar auch auf dem Videoportal viele; zudem solche, die Job und Wohnung gekündigt haben, um mit dem Fahrrad oder einer alten Klapperkiste durch exotische Länder zu reisen. Es gibt aber nicht viele, die sich in Gegenden trauen, die selbst Einheimischen zu unsicher sind – und dabei unbewußt oder bewußt erhellende gesellschaftpolitische Einblicke von vor Ort nach Hause senden.
Ratgeber und Tests zu Themen, die im Internet trenden
Daniel Großhans ist „The Great Hans“ und seit 2021 mit dem Fahrrad auf Welttrip durch Länder, für die amtliche Reisewarnungen gelten: Iran, Afghanistan, Bosnien. Zunächst ging es über die Pyrenäen und Portugal nach Irland und Schottland, über den Balkan durch die Türkei und Persien zum Hindukusch.
Hier wird er gleich von einigen staunenden Männern aus dem Auto heraus angesprochen, die aus Deutschland abgeschoben wurden und ein paar Brocken Deutsch behalten haben: „Du lange Weg! Alle Gute!“ In der „Großstadt“ Herat – wo der Messerangreifer von Mannheim geboren wurde – trifft er Saleh, der vor der russischen Invasion nach Kanada floh, kürzlich zurückkehrte und perfekt Englisch spricht. Bärtige Taliban wollen unbedingt Selfies mit dem „Großen Hans“ machen, die sie auf ihren Insta-Accounts hochladen. Es ist beklemmend, wenn man sich dabei vergegenwärtigt, daß Mädchen in Afghanistan in den 1970er Jahren studierten, Miniröcke trugen und zu den Beatles tanzten. Daniel begegnet auf seiner Reise keiner einzigen Frau!
Nach tagelangem, unerbittlichem Gegenwind und Militärkontrollposten dann im iranischen Teil von Belutschistan mal eine angenehme Überraschung – nein, immer noch keine Frauen zu sehen, aber ein Supermarkt mitten im Nirgendwo an einer staubigen Piste, einsam in der bergigen Geröllwüste. Trotz großer Gastfreundschaft war sein Sicherheitsgefühl in diesen Ländern nicht immer unbeeinträchtigt, berichtet Daniel. Nicht nur wegen der Militärposten, auch wegen Kinderbanden, die einen plötzlich mit Steinen bewerfen oder zu beklauen versuchen. Aber gut – in deutschen Regionalbahnen oder Fußgängerzonen kann einem Schlimmeres passieren.
Großhans zeigt seine Reiseimpressionen neben Youtube auch auf Instagram und seiner Webseite www.radreise-unlimited. Das einzige, was nervt, ist seine restringierte Hipstersprache („Übelst geil, Digger!“), aber die dürfte jüngere Zuschauer abholen – und die Bilder und Eindrücke entschädigen allemal.
Ratgebersendungen gibt es auf ARD und ZDF wie Sand am Meer, doch die meisten kommen altbacken und betulich daher. Das Internet ist hier leider oft unseriös und marktschreierisch nach dem Motto: Kauf’ jetzt mein Buch, um Millionär zu werden! Der Youtuber Torben Platzer macht es erfrischend anders: Er präsentiert Selbstversuche und Finanztatgeber, die unterhaltsam und informativ zugleich sind und thematisch ein junges Publikum ansprechen.
Er spricht nicht über langweilige Bilanzen oder Steuerrechtskniffe im Alter, sondern konkrete Fragen, wie zum Beispiel „Lohnt sich ein Balkonsolar aus dem Internet?“ oder „Lohnen sich Kofferauktionen vom Flughafen?“. Er hat „Methoden zum Geldverdienen von TikTok getestet!“ oder „Jeden Tag 1 YouTube Short gepostet und damit Euros verdient!“. Er deckt „Die ekeligsten Betrugsmaschen auf TikTok“ auf oder klärt das Geheimnis „Bekommen Influencer bessere Mystery Boxen für Unboxing Videos?“.
Spannend wird es, wenn Platzer die umstrittenen Methoden der Mehmet Göker Vertriebs-Gruppe hautnah recherchiert und sich sogar zum Schein als Mitarbeiter bewirbt, um Hintergründe aufzudecken. Der Hobbyökonom kauft auch Trading-Pakete von der Firma von Philip Hopf vom beliebten Podcast „Hoss & Hopf“ und investiert nach dessen Analysen, um selbst zu testen, ob die Anlagerezepte wirklich erfolgreich sind.Dabei betont er, die Produkte so zu testen, wie ein Anfänger ohne Erfahrung das auch tun würde. Das bedeutet, er verpaßt mal ein Zeitfenster für eine Investition, kann nicht die empfohlene Einsatzsumme oder kann eine Kursprognose nicht so deuten wie ein Experte es tun würde. Das macht seine Erfahrungen um so authentischer.
Platzer sagt, er untersuche vor allem, was bei jungen Leuten angesagt ist und in sozialen Netzwerken trendet, aber bei Ratgebern des Anstaltsfernsehens gar nicht vorkommt: Geldverdienen im Internet, den Wert von Erfolgs-Coachings, vermeintliche Online-Schnäppchen.
Sein Erfolg zeigt sich nicht nur in ansehnlichen Abonnentenzahlen, sondern auch in begeisterten Kommentaren wie „Mega! Sachliche Fakten statt Meinung oder Emotionen. So sollte Journalismus sein!“ oder „Du haust Content raus, da kann sich ARD/ZDF eine fette Scheibe von abschneiden!“. Bei so viel Konkurrenz hat auch schon Platzer das Framing des ÖRR am eigenen Leib erfahren, als ein Videoschnipsel von ihm aus dem Zusammenhang gerissen und im negativen Kontext dargestellt wurde.
„Voxpops“ aus dem Volk und aus der Realität
Auch bei politischen Straßenumfragen framt der GEZ-Funk gern, und zufällig haben viele vermeintliche Normalo-Passanten einen nicht genannten Partei-Hintergrund. Realistisch ist was anderes: Im vergangenen Herbst startete der Youtuber Serdar seinen Kanal mit dem Titel „Selektive Empörung“. In der rechtsalternativen Szene wurde man schnell auf den Neuen aufmerksam. Dank einiger Interviews bei bereits etablierten Internetkollegen fand der junge Mann inzwischen sein eigenes Publikum.
Interviews und sogenannte „Voxpops“ in der Fußgängerzone sind auch Serdars Spezialität. Auf der Straße befragt er Passanten nach ihrer Meinung zu aktuellen Themen, beispielsweise zum neuen „Selbstbestimmungsgesetz“, das er als „völligen Murks“ bezeichnet. Serdars Videos drehen sich inhaltlich um Rassismus gegen Weiße, die Frauenfeindlichkeit „queerer“ Aktivisten, Kindersexualisierung und Transhype sowie die ausufernde Ausländerkriminalität – also den ganzen bunten Blumenstrauß linker Beglückung, der im ÖRR einseitig, verdreht oder gar nicht vorkommt.
Besonders allergisch reagiert der „südländische Typ“ auf die Lieblingsprojekte der „Woken“. Das aggressiv-infantile Regenbogen-Tralala bringt den Migranten auf die Palme. Dabei sagt er: „Ich bin eigentlich sehr tolerant – ich war sogar bei der SPD …“ Am schlimmsten sind für ihn allerdings woke Migranten, die Leute wie ihn vereinnahmen und betreuen wollen. Das findet er fürchterlich, vor allem „bei absolutem Quatsch wie ‘kultureller Aneignung’“.
Bei seinen Straßenbefragungen trifft er überwiegend „nicht-ideologisierte Leute mit gesundem Menschenverstand“, deren Aussagen die ganze Absurdität der linksgrünen Spinnerei enthüllen. Besonders viel Tiefe ist in Serdars eher kurzen Kommentaren und Clips zwar nicht zu finden, aber für Einsteiger und einen authentischen Überblick von „der Stimme des Volkes“ ist das Ganze nicht schlecht und Eigeninitiative grundsätzlich positiv zu bewerten.
Außerdem zeigt Serdars Format deutlich, daß längst nicht alle Migranten die Rolle als unmündige Betreuungsobjekte annehmen, die ihnen Linke überstülpen wollen, und auch nicht mehrheitlich progressiv eingestellt sind. Eine erfrischende Alternative zu den zeitgeistigen Aktivisten und Journalisten mit Migrationshintergrund im Mainstream-Pressebetrieb.