© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

Beförderung zum Auftragsmörder
Kino: Mit „A Killer Romance“ wagt sich Richard Linklater auf das schlüpfrige Parkett schwarzer Komödien
Dietmar Mehrens

Killer hatten schon immer Konjunktur. Vor allem im Kino. Die Rede ist vom gedungenen Mörder, der seinem Auftraggeber aus der Zivilgesellschaft gegen entsprechendes Entgelt unliebsame Zeitgenossen aus dem Weg räumt. Der durch Plaudertaschen-Kino – „Before Sunrise“ (1995), „Before Sunset“ (2004) –, aber auch durch die aufsehenerregende Familien-Langzeitstudie „Boyhood“ (2014) berühmt gewordene Filmemacher Richard Linklater stellt in seinem neuen Werk eine verblüffende These auf: Den klassischen Auftragskiller gibt es eigentlich nur in den Köpfen der Leute – und im Film. Was lag also näher, als in dem Medium, dem sie entstammt, auch aufzuräumen mit der Legende vom Auftragsmörder und gleichzeitig denen die Leviten zu lesen, die an sie glauben und einen solchen tatsächlich buchen möchten?

Woody Allens Art, Filme zu machen, hat hier Pate gestanden

Dazu hat sich der gebürtige Texaner, der das Drehbuch zusammen mit seinem Hauptdarsteller Glen Powell verfaßte, von einer wahren Geschichte inspirieren lassen – der von Gary Johnson. Der arbeitete als verdeckter Ermittler für die Polizei, um die Auftraggeber solcher Verbrechen ins Kittchen zu bringen und damit Schaden nicht nur von den mutmaßlichen Opfern, sondern auch von der Gesellschaft abzuwenden.

Privat ist Gary Johnson (Glen Powell), der allein mit zwei Katzen in der Vorstadt von New Orleans wohnt und an der Universität Nietzsche unterrichtet, ein eher unauffälliger Typ. Spannender ist da schon sein Nebenberuf als Kriminaltechniker beim New Orleans Police Department (NOPD). Als sein NOPD-Kollege Jasper (Austin Amelio) wegen ungebührlichen Betragens – der Betroffene selbst spricht von „cancel culture“ – ausgebootet wird, ist Gary mit seinem Allerweltsgesicht erste Wahl, um im Rahmen einer Beförderung dessen Nachfolge als Polizei-Lockvogel anzutreten. Für den Psychologie-Professor ist diese Art der Feldforschung am lebenden Objekt ein gefundenes Fressen. Mit kreativen Verkleidungen macht der regelmäßig mit einem unsichtbaren Abhörmikrofon ausgestattete Pseudo-Auftragsmörder sich auch richtig gut darin, jedem Auftraggeber und jeder Auftraggeberin die Art von Killer-Persönlichkeit zu präsentieren, auf die er oder sie sofort anspringt. Reihenweise landen seine Kunden hinter Gittern.

Probleme treten erst bei Garys Anwerbungsgespräch mit der verzweifelten Madison (Adria Arjona) auf, die ihren übergriffigen Ehemann beseitigen lassen will. Gary begegnet der attraktiven Brünetten in der Gestalt des mega-abgebrühten Killers Ron. Da die neue Kundin jedoch im Bereich optische Anmutung Höchstwerte erzielt, weicht Gary bei ihr von der Marschroute ab und versucht ihr den Auftrag auszureden, um sie so vor dem sicheren Gefängnis zu bewahren. Als Madison sich hernach wunschgemäß in den lässig-verwegenen Ron alias Gary verliebt, ruft das allerdings den suspendierten Jasper auf den Plan, der die Chance wittert, Gary die lukrative Stelle als Lockvogel wieder abzujagen. Und damit ist mit den Verwicklungen noch lange nicht Schluß.

Das klingt alles sehr nach einer von Woody Allens schrägen Krimikomödien wie „Manhattan Murder Mystery“ (1993) oder „Schmalspurganoven“ (2000) mit einem Hauch von „Match Point“ (2005) vielleicht, deren melodramatischer Variante. Und daß Woody Allens Art, Filme zu machen, hier tatsächlich Pate gestanden hat, ist absolut unübersehbar. Der Vollblutkomiker hätte in jungen Jahren in der Rolle des Polizeispitzels Gary mit Sicherheit eine blendende Figur gemacht. Leider reichen Linklaters und Powells Dialoge aber nicht ganz an die des New Yorker Stadtneurotikers heran. Die Pointenschlagzahl ist deutlich niedriger, und das sorgt dafür, daß einem vor allem in der ersten Filmhälfte einige Dialogszenen viel zu lang vorkommen. „A Killer Romance“ ist darum über weite Strecken zwar ziemlich witzig, aber nicht so witzig, wie er sein könnte, wenn an ein paar Dialogen noch etwas mehr gefeilt worden wäre.

Am Ende entgleitet dem Duo Linklater/Powell zudem vollständig das ansonsten durchaus originelle Drehbuch: Daß schließlich – anders als in der wahren Geschichte des Gary Johnson – doch noch ein kaltblütiger Mord passiert, ist ein krasser Stilbruch und wie der Regisseur seine Helden damit umgehen läßt, selbst für eine schwarze Komödie von äußerst fragwürdiger Moral. „Match Point“ war da um Längen besser, differenzierter. Trotz dieser Defizite macht „A Killer Romance“ alles in allem aber durchaus Spaß.

Foto: Madison (Adria Arjona) und Gary Johnson (Glen Powell): Verdeckter Ermittler für die Polizei