Die Verwendung eines Instrumentariums, das dem entspricht, welches den Wiener Philharmonikern um 1900 zur Verfügung gestanden hat, macht die Bedeutung dieser Neuaufnahme von Gustav Mahlers 9. Symphonie allein nicht aus. Aber welche denn wären die stimmigen Instrumente? Diese, die Mahler vielleicht zur Verfügung gehabt hätte, wenn er seine Neunte selbst zur Uraufführung hätte bringen können? Die fand 1912 statt, ein Jahr nach Mahlers Tod. Oder jene technisch verbesserten Instrumente, die Mahler nie zu Gesicht bekommen, vielleicht aber sein inneres Ohr schon vorausgehört hat?
Die Musiker des Mahler Academy Orchestra, Teil der von Claudio Abbado gegründeten Gustav Mahler Academy Bolzano-Bozen, und 55 Musiker aus bedeutenden Klangkörpern der alten Welt lesen ihren Mahler auf sehr unbehagliche Art und Weise: kein Zusammenfügen, keine Erlösung, kein Erwachen für Freuden. Dagegen überraschende Rubati und dynamische Stufungen, erschreckend böse und gar nicht süßlich gleitende Lagenwechsel der Streicher, fratzenhafte und gar nicht skurrile Klangfiguren, streng konstruierte Zusammenbrüche, heimwehkranker Blick zurück und unaufschiebbares Verlöschen. Und immer das Starren des Engels der Geschichte auf Trümmer über Trümmer vor seinen Füßen. Ihr Spiel ist klüger als ihres Dirigenten Philipp von Steinaeckers Text im Beiheft. Was Mahlers Partitur an Ahnung und Vorwegnahme der Katastrophen des 20. Jahrhunderts eingeschrieben ward, geben sie ihren Hörern auf, als aktuelle Weltkriegswarnung zu entziffern.
Gustav Mahler 9. Symphonie Alpha Classics 2024 https://alpha-classics.com
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