© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

Zeitschriftenkritik: Tumult
Mehr Realität wagen
Werner Olles

In seinem Vorwort zur Sommer-Ausgabe 2024 von Tumult beschreibt Chefredakteur Carsten Germis die „Ökonomische Realitätsfinsternis“ der „gnostischen linksliberalen und ökosozialdemokratischen Zeitgeistpolitiker, die in Deutschland die Politik bestimmen“. Zu ihrem Programm gehöre Realitätsverweigerung und das Gefühl, historische Avantgarde zu sein. Pathologisch durchdrungen vom Traum eines „grünen Booms“ werden rationale Diskussion und Widerspruch nicht mehr zugelassen. Habecks Euphorie über Deutschlands Erreichen seiner Klimaziele, die er mit „seinen Groupies bei ARD und ZDF“ teile, blende geflissentlich aus, daß dies nur durch Deindustrialisierung und wachsende Stromexporte aus dem Ausland gelungen sei.

Der Germanist und Publizist Thomas Gabis plädiert in seinem Beitrag für eine „Europäische Konföderation“, da Europa vor der Spenglerschen Prophezeiung eines fellachisierten Abendlandes stehe, verschüttet in geschichtsloser Leere und von Massen aus anderen Kontinenten eingewanderten Menschen bevölkert. Die Einheit Europas müsse jedoch nach dem Untergang der EU bewahrt werden durch die Gründung einer Europäischen Konföderation, deren Wahlspruch laute: „Europe first“. Die „neuen Ghibellinen“ sollten bereits heute darüber nachdenken, auf welchen ideellen, geo- und psychopolitischen Fundamenten sie beruhen wird. 

Der Orientalist Tilman Nagel geht in dem Essay „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ auf die illusorischen Annäherungsversuche von Konservativen und Neuen Rechten an den Islam ein, die die von David Engels vorgeschlagene Rückbesinnung auf die abendländische Kultur ebenso wie eine Remigration für „aussichtslos“ erklärten. Stattdessen plädierten sie für ein „neues Volk“, einen „Kurswechsel“ und behaupteten, der Islam sei keineswegs religiöser Natur, sondern eher politisch geprägt. Nagel erteilt derlei Gedanken eine Absage und kritisiert das Unterschlagen etlicher Topoi seriöser Islamkritik, das Beschönigen der über Jahrhunderte währenden islamischen Eroberungszüge, das schariatische Unterdrückungsinstrument, die Feindseligkeit gegen Anders- und Ungläubige. Die verlogene Entschuldigung, dies habe nichts mit dem Islam zu tun, läßt er nicht gelten und beharrt darauf, konservativ sein und handeln bedeute nicht vor dem Zeitgeist die Segel zu streichen, sondern offensiv und mutig für eine freiheitliche Ordnung zu kämpfen, auch wenn Nancy Faeser und Verfassungsschutzchef Haldenwang darüber die Stirn runzeln sollten.

Weitere Beiträge befassen sich unter anderem mit der Cancel Culture als „Absolutismus der Gegenwart“, Georg Simmels „Europa und Amerika“ und Kant als „Vordenker des deutschen Untertanengeistes“.

Kontakt: Freunde der Vierteljahresschrift Tumult e.V., c/o Frank Böckelmann, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 12 Euro, ein Jahresabo für vier Ausgaben 43 Euro. www.tumult-magazine.net