Es handelt sich um einen Angriff auf die Meinungsfreiheit.“ Das steht für Willi Lau außer Frage. Der Verleger aus Reinbek bei Hamburg soll 7.500 Euro Fördergeld für ein Buch zurückzahlen, weil dieses angeblich „rechtsextreme“ Thesen enthält.
Stein des Anstoßes ist das im Juli 2021 im Lau-Verlag veröffentlichte Werk „Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen“ von Martin Wagener. Für die Produktion und den Druck des Buches hatte Lau im Mai 2021 einen Kostenzuschuß aus dem Bundesförderprogramm „Neustart Kultur“ beantragt. Das milliardenschwere Programm war von der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ins Leben gerufen worden, um dem Kulturbetrieb bei der Bewältigung der Corona-Zeit unter die Arme zu greifen. Zur Zielgruppe gehörte neben Kinos, Galerien oder Musikfestivals auch die Buchbranche.
Der Antrag wurde genehmigt und der Fördervertrag im Juli 2021 unterzeichnet. Lau erhielt eine Zuwendung in Höhe von 7.500 Euro, wie bei allen Verlagen abgewickelt durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Im August reichte er bei „Neustart Kultur“ den vertraglich vereinbarten Verwendungsnachweis ein, der unter anderem aus einer Information über das geförderte Projekt und einer Leseprobe bestand. Damit war die Angelegenheit eigentlich erledigt.
Die Probleme begannen knapp zwei Jahre später, als das Buch in einem Beitrag des Deutschlandfunks auftauchte. Überschrift: „Corona-Fördermittel für rechtsextreme Buchprojekte“. Der Deutschlandfunk wandte sich im April 2023 mit einer Presseanfrage an die Kulturstaatsministerin, die inzwischen nicht mehr Monika Grütters hieß, sondern Claudia Roth (Grüne), und am 5. Juni den Verfassungsschutz einschaltete. Der sollte bewerten, ob sich in „Kulturkampf um das Volk“ Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung feststellen ließen.
Daß die Behörde dies nur neun Tage später bejahte, lag auf der Hand. Denn der Verfassungsschutz hatte das Buch, in dem Behördenchef Thomas Haldenwang kräftig kritisiert wird, bereits 2021 geprüft und dafür gesorgt, daß der Autor Martin Wagener massive berufliche Schwierigkeiten bekam. Der Politikwissenschaftler, der eine Professur am Fachbereich Nachrichtendienste der Hochschule des Bundes innehat, darf seit Oktober 2021 – bei vollen Bezügen – weder lehren noch auch nur das Gebäude betreten. Ihm wurde wegen des Buches der sogenannte Sicherheitsbescheid entzogen, der ihm seine Verfassungstreue bestätigt hatte.
Wagener mache sich in seinem Werk für einen ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff stark, der der grundgesetzlich garantierten Menschenwürde widerspreche, lautet der Vorwurf des Verfassungsschutzes. Der Politologe klassifiziere deutsche Staatsbürger „auf Grundlage von ethnischen Zugehörigkeiten letztlich in solche erster und zweiter Klasse“, heißt es in der Bewertung für die Kulturstaatsministerin.
In dem vierseitigen Schreiben listet der Verfassungsschutz mehrere Zitate aus Wageners Buch auf. So sollen etwa die folgenden Zeilen als Beleg für seinen extremistischen Volksbegriff dienen: „Von der Bundesregierung wird seit vielen Jahren eine nachhaltige Umformung der Zusammensetzung der Bevölkerung betrieben.“ Eine andere Passage, die ihm zur Last gelegt wird, dreht sich um drei Fußball-Nationalspieler: „Tabuisiert werden soll eine simple Tatsache: Özil, Gündogan und Can sind Türken mit einem deutschen Paß, die für Deutschland spielen bzw. spielten, weil sie in dieser Mannschaft größere Erfolgschancen auf den Europa- oder Weltmeistertitel haben. (...) Alle drei werden aber in ihrem Herzen zuvörderst Türken bleiben.“
Wagener selbst weist die Anschuldigungen scharf zurück. In einem Schreiben an den Lau-Verlag betont er, eine Aufspaltung von deutschen Staatsangehörigen in eine erste und zweite Klasse sei „ein abartiger Gedanke und von seinem Weltbild weit entfernt“. Er habe in seiner Schrift einen kulturellen Volksbegriff erarbeitet, der vollkommen verfassungskonform sei. Einen ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff befürworte er nicht. Er habe diesen und die Diskussion darüber lediglich dargestellt, etwa in einem Kapitel über die Identitäre Bewegung.
„Die Unterstellungen gegen Herrn Wagener sind absurd“, bekräftigt Willi Lau. Der Verleger mußte im August 2023 zwei Belegexemplare des „Kulturkampf“-Buches an den Börsenverein des Deutschen Buchhandels schicken. Infolge der Stellungnahme des Verfassungsschutzes für die Kulturstaatsministerin war ein nachgeschaltetes Prüfverfahren für den einstmals bewilligten Druck- und Produktionskostenzuschuß eingeleitet worden.
Er legte den Belegexemplaren zwei Gutachten bei, die der Einschätzung des Verfassungsschutzes widersprechen. Eines stammt von dem Finanzwissenschaftler Fritz Söllner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Ilmenau. Das andere vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit. Der Verein, dem rund 750 Wissenschaftler angehören, hatte den Buchautor Wagener im Oktober 2022 aufgenommen und sein Werk zuvor unter die Lupe genommen. „Zu untersuchen war, ob Martin Wagener verfassungsfeindliche Auffassungen vertritt. Dafür konnte der Vorstand keine Belege finden“, lautete das eindeutige Ergebnis, das sich unter anderem auf die Einschätzung der Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek und Gerd Morgenthaler stützt. Beide halten das „Kulturkampf“-Buch für unbedenklich.
Trotzdem teilte der Börsenverein dem Lau-Verlag am 16. April mit, daß er die 7.500 Euro Fördergeld zurückzahlen muß. Er habe gegen die Förderrichtlinien verstoßen; das geförderte Buch „enthält verfassungsfeindliche Inhalte“. Als Begründung dienen die Stellungnahme des Verfassungsschutzes sowie ein zusätzlich eingeholtes Gutachten des Juristen Alexander Thiele. Der Professor für Öffentliches Recht an der Business and Law School Hamburg verortet das Buch im Grenzbereich der Verfassungsfeindlichkeit und gelangt zum Ergebnis: „Die Publikation bleibt rechtlich zulässig, die Förderung kann gleichwohl rückgängig gemacht werden.“
Akzeptieren will Willi Lau die Entscheidung nicht. Er hat beim Börsenverein Widerspruch eingelegt und wartet nun auf eine Reaktion. Ob er gegen die Rückzahlungsforderung auch vor Gericht ziehen würde? „Natürlich!“, läßt der Verleger keinen Zweifel aufkommen.
Martin Wagener: Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen. Lau-Verlag, Reinbek 2021, gebunden, 512 Seiten, 26 Euro