© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

„Die reden von Ehre, dabei sind sie ehrlos“
Migrantengewalt: In Gera machen syrische und afghanische Kinder Jagd auf Deutsche. Vor laufenden Kameras malträtieren sie einen Schüler
Martina Meckelein

Eine Parkbank, eine Platte und 20 brutale Blagen. Diese drei Zutaten katapultierten ein ungeliebtes Viertel einer vergessenen Stadt in die Schlagzeilen der deutschen Presse. In Bieblach-Ost, so heißt der Stadtteil in Gera, Thüringens drittgrößter Stadt, gammelt und bröselt seit Jahrzehnten die in Beton gegossene sozialistische Tristesse vor sich hin. Hohe Arbeitslosigkeit, steigende Kriminalität und steigender Migrantenanteil. Das Plattenbaugebiet zeigt den Zerfall einer Gesellschaft in Zeitraffer. Soziologen, Stadtentwickler, Politiker müßten nur hinschauen. Doch Warnungen alteingesessener Bürger blieben ungehört. 

Bis eben Mitte Juni ein Video im Netz auftauchte. Zu sehen ist eine Meute von 20 syrischen  und afghanischen Kindern, die wie tollwütige Hunde auf einen deutschen Jungen einprügeln. Und es stellt sich heraus: Die Parkbankschlägerei mit leichten Verletzungen ist kein Einzelfall. Diese Brutalität ist nicht nur Selbstzweck, sondern sie hat Methode. In Bieblach-Ost trainieren Baby-Gangster ihre Skrupellosigkeit und Brutalität an Wehrlosen. Dieser Wahnsinn breitet sich aus – eine Stadt in Angst.

„Zur Polizei geht hier niemand mehr“

 „Gehen Sie vorbei, reagieren Sie nicht, schauen Sie diese Kinder nicht an“, rät ein Mann auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums an der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 3. Ihr Name – Bieblach-Ost. „Die sitzen hier in allen Winkeln, hinter Hecken, in Nischen. Die sind wirklich gefährlich.“ Und die Umgebung macht es ihnen leicht. Viele Geschäfte sind unvermietet. Hinter staubigen Glasscheiben gähnende Leere. Wer hier herkommt, kauft kurz beim Supermarkt ein. Hier flaniert niemand mehr. Er könne sich, sagt der Mann, als Geraer nur entschuldigen, „es tut mir leid, was passiert ist, aber wir sind auch selber betroffen.“

Passiert war folgendes: Auf die harmlose Frage, wo denn die Wartburgstraße sei, pöbelt ein Osteuropäer, wohl ein Russe, höchstens 16 Jahre alt, sofort los: „Mach wech, Fotze!“ Dann steht er langsam von einer Bank auf. Jede Bewegung auskostend, den stieren Blick auf sein vermeintliches Opfer gerichtet, glaubend, daß es ausweicht – so wie all die anderen es tun. Wieder brüllt er: „Mach wech, Fotze.“ 

Doch die Frau brüllt zurück: „Ich ruf die Polizei.“ Versteht der eigentlich den Sinn der Worte? Er sieht das Handy in der Hand der Frau. Vielleicht läßt ihn das stoppen. Vielleicht ist es auch sein Kumpel, ein Nordafrikaner, der zu Beginn noch feixend auf der Bank sitzt. Jetzt sagt er etwas zu seinem Russenfreund. Beide ziehen sich die Kapuzen ihrer Hoodies über und tief ins Gesicht – und türmen.

 Polizei ist nicht zu sehen. Deshalb sind Geras Mütter auf eine Idee gekommen. „Wir warnen uns vor denen auf WhatsApp“, erzählt eine Zigarettenverkäuferin. Sie wischt über die Schaltfläche ihres Handys, tippt etwas ein. Dann zeigt sie ein Foto. Darauf zwei Kinder und ein Jugendlicher. Sie hätten Messer dabei und bedrohten damit andere Kinder. „Das ist gerade letzte Woche passiert“, sagt die Verkäuferin. Zur Polizei gehe hier niemand mehr. „Entweder kommen die nicht oder sie machen nichts“, sagt ihre Kollegin. Eine Einschätzung, die noch öfter zu hören sein wird. „Messergeschichten“ nennen sie diese Bedrohungen. Die drei Abgebildeten stammten aus Gera-Lusan, schreibt eine Mutter in der WhatsApp-Gruppe und warnt die Mitleser. Lusan ist das andere Ende der Straßenbahnlinie 3. Ebenfalls Platte, ebenfalls gefährlich, aber durch Umbauten und Sanierung einiger Hochhäuser versucht dort die Wohnungsgenossenschaft die Häuser aufzuwerten, eine andere Mieterklientel anzulocken. 

In Bieblach-Ost hingegen scheint alles verloren. Geras jüngster Stadtteil wird ab 1986 gebaut. Bis 1991 entstehen 3.500 Wohnungen für Wismut-Arbeiter, mit Straßenbahn und Autobahnanschluß, Supermärkten, Schulen, Einkaufszentren. Doch schon kurz nach der Wende, mit dem Ende des Uranabbaus, ziehen die Menschen weg. Rumänen und Russen werden in die freien Wohnungen einquartiert. Bieblach-Ost entwickelt sich zum sozialen Brennpunkt. Ganze Blöcke stehen leer. Ab 2005 dann der Abriß einiger Platten. Supermärkte schließen. Was bleibt, ist das 2004 gegründete Kinder- und Jugendzentrum CM. 

 Um in die Wartburgstraße zu gelangen, dort schlugen die Migrantenkinder den jungen Deutschen zusammen, geht es mit der Tram zurück von der Endhaltestelle Richtung Innenstadt. Haltestelle Hilde-Coppi-Straße raus, über die Ampelkreuzung und dann an einem langgestreckten Plattenbauriegel mit sechs Eingängen vorbei. Ihm gegenüber ein großer Supermarkt, verrammelte Fenster. Ebenfalls Leerstand. Weiter die Straße entlang. Die Sonne glüht. Kein Schatten. Kniehoch wuchern Gräser aus den Fugen zwischen Fußwegplatten. 

Die Sorgen und der Unmut der Bürger werden ignoriert

Auf einer Bank sitzt eine korpulente Frau. Sie blickt freundlich. Radebrechend versucht sie den Weg zu erklären. Sie spricht von einer Kuhle und einem Berg. In der Ferne schreit ein Kind. Irgendwo keift eine Frau. Endlich: die Wartburgstraße. Sanierte Platten. Dort steht die Bank direkt an der Giebelseite des Hauses Nr. 17. Hier wurde am 11. Juni am hellichten Tag der Junge zusammengeschlagen. Die Meute grölte und verhöhnte ihr Opfer. Und hier will niemand etwas bemerkt haben?

 „Alle Nachbarn arbeiten“, sagt ein junger Mann. Er selbst wohnt mit seinen Eltern und Geschwistern im Hochparterre. „Ich mache mein Abitur und habe dann noch einen Minijob, ich bin den ganzen Tag nicht da“, sagt der Bosnier in ausgezeichnetem Deutsch. Das Video habe er bereits gesehen. „Die reden von Ehre, dabei sind die ehrlos.“ Für die Gewalt in dem Viertel, die von Kindern und Jugendlichen ausgeht, hat er eine Erklärung: „Die wollen so cool sein wie die Gangster in den Filmen. Die ahmen das Verhalten einfach nach. Die sollen zur Schule gehen. Wir haben hier alle Freiheit und Unterstützung in Deutschland. Man kann sich nur für solche Leute schämen.“

Der Jugendclub nahe der Straßenbahn, ist der einzige Treffpunkt für Kinder und Jugendliche hier. Eine Regel gibt es: Der Verzehr von Sonnenblumenkernen ist verboten, steht da an der verschlossenen Tür. „Die Jungs spucken die Schalen auf den Boden, egal wo sie stehen“, erklärt eine Mutter, sie hat ihren kleinen Jungen vom Kindergarten abgeholt. Sexuelle Belästigungen und Beleidigungen seien normal, erzählt sie. Vor ein paar Tagen erst sei ihre Freundin hier von Ausländern mit einem Messer bedroht worden, direkt an der Straßenbahnhaltestelle um 16 Uhr. „Mir selbst ist es in den Gera-Arcaden passiert.“ 

Das Einkaufszentrum in der Innenstadt ist ein Treffpunkt migrantischer Jugendlicher und Männer. „Ich wollte mit meinem Kleinen zur Toilette. Da ist mir eine Gruppe Ausländer gefolgt. Dann habe ich ein Klacken gehört, vermute, daß es ein Klappmesser war. Ich bin dann schneller gelaufen. Ich habe Pfefferspray und Kampfsporterfahrung, fühle mich sicherer.“ Auch die Polizei habe sie informiert. „Aber die sagen, ihnen seien die Hände gebunden.“

Gera hatte zum Stichtag 31. Dezember 2022 laut Einwohnermeldeamt 95.142 Einwohner mit einem Ausländeranteil von 11,4 Prozent. Im Stadtteil Bieblach-Ost sind 5.182 Menschen mit Hauptwohnsitz gemeldet, Ausländeranteil von 28,1 Prozent, der höchste Wert in Gera. Übrigens beträgt der Anteil der ermittelten nichtdeutschen Tatverdächtigen bei Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße in Gera 22,7 Prozent.

Die Ostthüringer Zeitung berichtete schon 2019  über eine Einwohnerversammlung, in der 80 alteingesessene Bürger ihrem Unmut gegenüber dem damaligen Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) Luft machten. Kernpunkt war die fehlende Integration der Ausländer. Die Folgen, so die Anwohner: fehlende Rücksicht, Mißachtung von (ungeschriebenen) Regeln, Lautstärke, Müll, Ungeziefer, Beschimpfungen, Vandalismus, sexuelle Belästigungen.

„Wer meine Nachbarn sind, weiß ich nicht“, erzählt eine Anwohnerin. „Da wohnen Russen drin, einer ist gemeldet, aber in den Wohnungen leben weitaus mehr Leute. Die arbeiten nicht. Die Autos haben Kennzeichen mit aufgemalten TÜV-Plaketten, in den Hausfluren sind Blutspritzer. Ich bin froh, wenn ich heil in meine Wohnung komme.“ Sie sei auf Wohnungssuche. „Ich muß da raus, das hält kein Mensch aus.“ 

Raus gehen auch die migrantischen Jugendlichen. Was sollen sie auch in einem öden Plattenbaugebiet, in dem es nichts zu erleben gibt, in dem nicht einmal ein Billig-Discounter überleben kann. Ihr Ziel: die City. Und so ist es auch zu erklären, daß die Schläger von der Parkbank „aus verschiedenen Stadtteilen von Gera“ stammen. Der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) beantwortete im vergangenen Jahr eine Frage des Innenexperten der AfD Ringo Mühlmann nach den Kriminalitätshotspots in Gera. Er nannte unter anderem den Heinrichsplatz, das ist die zentrale Umsteigestelle des öffentlichen Personennahverkehrs, als regelmäßigen „Aufenthaltsort von Gruppierungen unterschiedlicher Herkunft“. Hier dominierten Körperverletzungen und Rauschgiftkriminalität.

„Minderjährige sind nicht strafmündig“, resümiert die Polizei. 

Doch selbst wenn die Polizei die Täter ermittelt, so wie im Fall in Biblach-Ost, ist eine Verurteilung unmöglich. Oberstaatsanwalt Thomas Riebel, stellvertretender Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Gera gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: „Minderjährige sind nicht strafmündig, sie dürfen nicht strafrechtlich verfolgt werden.“ So könne er sich konkret zu dem Fall nicht äußern. Richtig sei allerdings, daß die Gewaltbereitschaft in derartigen Konstellationen in den vergangenen Jahren und Monaten zugenommen habe. „Gerade Fälle mit Gegenständen, das führt zu massiven Körperverletzungen.“ Die Entwicklung der Fallzahlen in Gera läßt nichts Gutes erahnen. 2022 waren es 35.000 offene Verfahren, 2023 schon 40.000. Im Jahr 2024 waren es durchschnittlich 4.000 Verfahren im Monat, geschätzt bis zum Ende des Jahres also 48.000 Verfahren. Auf der anderen Seite wird in der Polizei wie auch in der Justiz gespart. Seit Jahren klagen die Gewerkschaften über einen wachsenden Personalmangel. Der ist unter anderem dem viel zu engen Einstellungskorridor, den Thüringen über Jahre praktiziert, geschuldet. Das hat wiederum zur Folge, daß der Altersmittelbau, also die 30- bis 50jährigen Beamten fehlen, und damit fehlt es an Berufserfahrung.


Fotos: Anwohner warnen sich auf WhatsApp vor umherziehenden Kinder- und Jugendbanden: Besorgte Meldungen, um sich und seine Kinder vor der Gewalt zu schützen, Brennpunkt Plattenbausiedlung in Bieblach-Ost:  20 jugendliche Afghanen und Syrer quälen einen jungen Deutschen mit Schlägen und Tritten