© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

Nationale Bedeutung
Maritime Industrie: Meyer-Werft in Seenot / Droht das Aus für den traditionsreichen deutschen Kreuzfahrtschiffbauer?
Martin Krüger

Die Meyer-Werft ist in der siebenten Generation und nach 225 Jahren in Finanznot. Statt um riesige Kreuzfahrtschiffe geht es heute um riesige Kredite: Die Corona-Nachwirkungen, die durch den Ukrainekrieg gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie Langfristverträge ohne Preisanpassungsklauseln haben die Papenburger Schiffsbauer in Schieflage gebracht. Da die Bezahlung erst bei der Ablieferung der Schiffe erfolgt, wird die Liquidität stark belastet. Fertigstellungen wurden nach dem Einbruch des Tourismusgeschäftes 2020 gestreckt. Gleichwohl liegen Bestellungen von sechs Kreuzfahrtschiffen, einem Forschungsschiff und der Bau von Offshore-Konverterplattformen vor.

Der Düsseldorfer Restrukturierungsexperte Ralf Schmitz, der schon die Werkstattkette ATU rettete, soll nun helfen. Er spricht von einer „historischen Krise“ und daß die Werft „viel Geld, viel Liquidität benötigt, um wieder wetterfest zu werden“. Ziel sei es, 2027 ein ausreichendes Ergebnis zu erzielen. Die Traditionsfirma ist industrielles Aushängeschild des Emslandes, wichtiger Arbeitgeber und Experte für die Kreuzfahrtbranche: „Die Meyer-Werft hat eine nationale, wenn nicht europäische Bedeutung“, warnt der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies im Handelsblatt. „Wir würden die Stärke des deutschen Schiffbaus erheblich gefährden und entscheidende Fähigkeiten verlieren.“

Es gehe aber auch um Marinetanker, die zusammen mit der Bremer Werft NVL gebaut werden: „Wir reden hier auch über das Thema Sicherheit“, mahnte der SPD-Politiker. „Wir können uns in Europa keinen weiteren Drain von Schlüsseltechnologien leisten.“ Daher berät das Land auch über einen Einstieg als Teilhaberin, wie einst bei Volkswagen und dem Stahlkonzern Salzgitter. Das könnte die Kreditwürdigkeit der Meyer-Werft verbessern, die Verhandlungsposition gegenüber Banken stärken und zu günstigeren Zinsen führen.

Stärkeres Engagement des Staates bringt nur kurzfristig Stabilität

Bürgschaften in Höhe von 2,7 Milliarden Euro sind allerdings jetzt die erste Wahl. Da bislang ein externer Investor nicht in Sicht ist, müsse sich der Bund ebenfalls beteiligen, so Lies. Er erwarte eine Rückverlegung des steuerlichen Firmensitzes der Holdinggesellschaft Meyer Neptun S.à.r.l. vom luxemburgischen Senningerberg an die Ems. Auch die Reeder sind gefordert. Bislang zahlen sie für die Durchschnittsgröße von einer Milliarde Euro je Kreuzfahrtschiff 80 Prozent bei Lieferung. Das bedeutet für Meyer während der jahrelangen Bauphase eine Vorfinanzierung von Materialien und Löhnen. In Verhandlungen strebt man jetzt 30 bis 40 Prozent als Sofortzahlung an.

Neben Papenburg unterhält die Mayer-Werft Standorte in Rostock und in Turku/Åbo (Südfinnland). Der deutsche Touristikkonzern TUI ist Stammkunde bei der Meyer-Werft: Sieben seiner Kreuzfahrtschiffe wurden dort gebaut. Das jüngste, der 315 Meter lange Koloß „Mein Schiff 7“ mit dieselelektrischem Antrieb wurde erst am 22. Juni in Kiel getauft. Von den insgesamt 7.000 Meyer-Beschäftigten arbeiten zirka 3.000 in Papenburg. Mindestens 440 Arbeitsplätze sind dort nun bedroht. Der Betriebsratschef Andreas Hensen und die IG Metall fordern alternative Sparmaßnahmen: „Ein Zukunftskonzept mit Personalabbau und Verzicht zu starten ist kein guter Start,“ so Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Die Gewerkschafter verweisen auf die Vorleistungen der Belegschaft: Die unentgeltlicher Mehrarbeit summiere sich schon auf 40 Millionen Euro.

Sind auch andere deutsche Schiffsbauer in der Krise? Erinnerungen an die Bremer Vulkan-Werft werden wach: Das Traditionsunternehmen mußte 1996 – 103 Jahre nach seiner Gründung – Konkurs anmelden. Die MV Werften, die in Wismar, Rostock und Stralsund Kreuzfahrt- und Glücksspielschiffe für die malaysische Firma Genting bauten, mußten 2022 Insolvenz anmelden, was zu massiven Stellenverlusten und Unsicherheit bei den Beschäftigten führte. Die Unternehmensgruppe wurde zerschlagen und ihre Bestandteile einzeln verkauft.

Ein Lichtblick ist Blohm+Voss in Hamburg. Dank eines diversifizierten Portfolios und strategischer Partnerschaften konnte sich die Werft besser behaupten. Die Zukunft der deutschen Werften hängt von politischen Entscheidungen und internationalen Entwicklungen ab. Ein stärkeres Engagement des Staates könnte kurzfristig Stabilität bringen, doch langfristig sind strukturelle Anpassungen und Innovationsstrategien notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Meyer-Werft hat Schritte in diese Richtung unternommen. So werden auch Offshore-Konverterplattformen für Windparks gefertigt, die die Stromübertragung an Land ermöglichen. Bereits 2018 lief das weltweit erste Kreuzfahrtschiff bei Meyer aus, das einen emissionsarmen Flüssig­erdgasantrieb (LNG) eingebaut hatte. Auch hat die Meyer-Werft mehr und größere Theater mit wechselnden Bühnenbildern und versenkbaren Orchestergräben gebaut als jedes andere Unternehmen. Hinzu kommen zwei der größten überdachten Trockendocks der Welt.


 meyerwerft.de/de/unternehmen/index.jsp