© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

Die Führungsfigur Meloni hat Schaden genommen
EU-Rechtsfraktionen: Viktor Orbáns Gründung der Gruppe „Patrioten für Europa“ wirbelt die ID- und EKR-Fraktionen kräftig durcheinander
Felix Hagen

Der Name klingt vielversprechend: Patriots for Europe, zu deutsch Patrioten für Europa soll eine neue Gruppe im EU-Parlament heißen, die schnell zur „größten Rechtsfraktion im EU-Parlament“ aufsteigen soll, wie es die drei Gründer Herbert Kickl, Viktor Orbán und der tschechische ANO-Chef Andrej Babiš auf der gemeinsamen Pressekonferenz am vergangenen Sonntag verkündeten.

Tatsächlich hatten sich zuletzt die Anzeichen für eine engere Zusammenarbeit der rechten Parteien verdichtet. Erwartet wird nun, daß neben der portugiesischen Chega, die bereits ihren Beitritt verkündet hat, sich weitere Parteien aus den bisherigen beiden rechten Fraktionen ID und EKR  den Patrioten für Europa anschließen werden. 

Ein Aderlaß, der beide Fraktionen schwer treffen dürfte, für viele aber nicht überraschend kommt. Denn hinter den Kulissen wird seit Monaten mit Hochdruck an einer neuen rechten Fraktion gearbeitet. Spätestens seit dem Scheitern der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni im Zuge der Verhandlungen rund um die Spitzenpositionen der EU-Kommission gilt die Italienerin im rechten Lager als Führungsfigur zu schwach. 

Stattdessen sollen nun als nächste die italienische Lega und der französische Rassemblement National der neuen Gruppe beitreten – letztere allerdings erst nach der nächsten Runde der französischen Parlamentswahlen, um den Wahlausgang nicht zu gefährden. 

Lega-Chef Matteo Salvini hatte am Sonntag das neue Bündnis begrüßt. Seine Lega arbeite seit Jahren für ein patriotisches Bündnis zur Schaffung eines neuen Europas ohne die linken Kräfte, „die für die Zerstörung des Kontinents die Verantwortung tragen“. Brüssel habe einmal mehr unglaubliche Arroganz an den Tag gelegt, als man die Posten „im Hinterstübchen“ untereinander aufteilte, als hätte die EU-Wahl nicht eindeutig gezeigt, daß der bisherige Kurs in die Sackgasse führe, betonte Salvini.

Damit wäre das Ende der Fraktion Identität und Demokratie besiegelt, sowohl Vlaams Belang als auch holländische PVV dürften kein Interesse an einer Fortführung der Marke ID haben und ebenfalls Beitrittsgesuche stellen. Hinter den Kulissen wurde seit langem über einen „Relaunch“ der ID, erweitert um Fidesz und ANO, geraunt. Auch in der EKR denken einige laut über einen Wechsel zu den Patrioten nach, die polnische PiS und die spanische Vox etwa.Beide zeigten sich nach dem Mißerfolg Melonis auch öffentlich äußerst unzufrieden. Unklar bleibt die Zukunft der EKR-Parteien, die sich in der Vergangenheit besonders an Orbáns Außenpolitik gestört haben. Die Schwedendemokraten, die sich als starke Befürworter westlicher Ukrainepolitik öfter an dem streitbaren ungarischen Premier gerieben haben, streben seit langem einen nordischen Club aus Nordeuropäern und Balten an und könnte nun versuchen, gemeinsam mit Melonis Fratelli d’Italia die geschwächte EKR in seinem Sinne umzubauen.