© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

Faeser in Verklärungsnot
Migration und Kriminalität: Der gewaltsame Tod eines 18jährigen durch einen Asylbewerber erschüttert das Land. Die Bundesinnenministerin aber irritiert mit einer zweideutigen Aussage
Peter Möller

Wer ist schuld am Tod von Philippos T. in Bad Oeynhausen? Der 18 Jahre alte Täter aus Syrien oder die sozialen Verhältnisse? Auf diese Frage läßt sich die Debatte in der Folge des Mordes an dem 20 Jahre alten Philippos T. bringen, der am vorvergangenen Wochenende nach der Abiturfeier seiner jüngeren Schwester im Kurpark von Bad Oeynhausen von einer Gruppe junger Männer angegriffen und durch Tritte gegen den Kopf derart schwer verletzt worden war, daß die Ärzte in der Klinik ihn später für hirntot erklären mußten.

Ende vergangener Woche hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf einer Kommunalkonferenz der SPD-Bundestagsfraktion zum dem Fall geäußert und mit ihren Äußerungen im politischen Berlin für Empörung und Kopfschütteln gesorgt. Denn Faeser stellte nicht das Leid der Familie von Philippos T. in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen, sondern machte sich Gedanken darüber, welche sozialen Bedingungen und Verhältnisse den mutmaßlichen Täter zu seiner Tat veranlaßt haben könnten.

„Heute ist leider ein sehr schlimmer Tag, wo wir über einen Mord an einem Jugendlichen diskutieren müssen, wo der Täter ein Geflüchteter ist, der seit acht Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft lebt. Ein Jugendlicher, der gar nichts anderes kennt“, sagte Faeser, obwohl der tatverdächtige Syrer, der 2018 nach Deutschland gekommen war, nach Angaben der Stadt Bad Oeynhausen nie in einer städtischen Unterkunft gelebt hatte. Der Tatverdächtige lebte laut der zuständigen Staatsanwaltschaft nach seiner Ankunft in Deutschland 2018 zunächst in Pforzheim, also mindestens an einem weiteren Ort.

„An Pietätlosigkeit ist das nicht zu überbieten“

Das Statement gipfelte in einem Satz, der von Faesers Kritikern als Versuch gewertet wird, den Täter von seiner Verantwortung für die Tat zu entlasten: „Und ich glaube, daß wir (über) diese Form der nicht gelungenen sozialen Integration viel mehr reden müssen.“ Zudem beklagte Faeser, daß bei der Migration immer nur auf die Zahlen geschaut werde. „Das ging 2017 massiv runter, und dann ist es aus der Öffentlichkeit weg gewesen. Aber vor Ort war das Thema nicht weg, weil der Wohnungsmangel schon da war, weil wir es nicht geschafft haben, die Geflüchteten in Wohnraum unterzubringen, sie wirklich sozial zu integrieren. Niemand hat mehr darüber gesprochen.“

Als völlig inakzeptabel bezeichnete CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Faesers Äußerungen. Diese bedeuteten „de facto eine Täter-Opfer-Umkehr“. Die CDU erwarte von Faeser, daß sie erkläre, „wie sie das denn gemeint hat. So jedenfalls kann es nicht stehenbleiben.“ Linnemann verwies darauf, daß der mutmaßliche Täter polizeibekannt sei und es eine lange Ermittlungsakte gebe. „Wir sehen, daß die ungebremste und ungesteuerte Migration nicht nur Deutschland in vielen Bereichen überfordert, sondern sie stellt auch ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko dar“, verdeutlichte Linnemann.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Alexander Hoffmann, forderte Konsequenzen aus den Aussagen der SPD-Politikerin. „Sollte die Ministerin es ernst meinen, daß sie die Verantwortung für den Tod bei der Bevölkerung sucht, muß sie sofort zurücktreten“, sagte er der Bild-Zeitung. Auch der FDP-Politiker und stellvertretende Bundestagspräsident, Wolfgang Kubicki, kritisierte die Innenministerin. „Es besorgt mich ernsthaft, daß Frau Faeser erklärt, die deutsche Gesellschaft habe eine Bringschuld gegenüber Migranten“, sagte er der Bild. Das Problem sei eher, daß viele Straftaten bei dem mutmaßlichen Täter keine ernsthaften Konsequenzen zur Folge hätten. Auf X schrieb der Vorsitzende der Bundespolizei-Gewerkschaft, Heiko Teggatz: „Das ist einfach nur unfaßbar! Ich bin sprachlos. Das ist an Pietätlosigkeit nicht mehr zu überbieten.“

Der israelisch-deutsche Publizist Ahmad Mansour bezeichnete den Versuch von Faeser, die Tat zu rechtfertigen, als „unerträglich“. Es sei „bemerkenswert, wie manche immer wieder gebetsmühlenartig die Gründe für solche Taten auf soziale Umstände zurückführen und die Verantwortung nie beim Täter, sondern bei der Mehrheitsgesellschaft suchen“, schrieb er auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn. Die Begründung Faesers sei „eine Art von Rassismus, da sie Migranten entmündigt und ihnen nie erlaubt, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen“. Mansour fragt: „Machen wir so etwas auch bei Neonazis? Suchen wir auch da soziale Gründe für rassistische Taten oder benennen wir zu Recht die gewaltvolle rassische Ideologie dahinter?“

Die Debatte um Faesers Aussagen ist angesichts der medialen Aufmerksamkeit, die von Ausländern begangene Gewaltverbrechen in der Folge des islamistischen Attentats von Mannheim (JF 25/24) derzeit erfahren, von besonderer Brisanz. Denn derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über eine Messerstecherei, sexuelle Übergriffe oder andere Angriffe durch Ausländer berichtet wird.

Am Wochenende hatte etwa laut Polizei eine siebenköpfige Gruppe ausländischer Jugendlicher eine 21jahre alte Frau in einer Kleingartenanlage in Chemnitz beleidigt, attackiert und sexuell belästigt. Als ein Bekannter der Frau zu Hilfe kam, sei dieser geschlagen worden. Kurz darauf konnte die Polizei fünf Tatverdächtige im Alter zwischen 15 und 23 Jahren vorläufig festnehmen. Gegen sie wird wegen des Verdachts des sexuellen Übergriffs sowie der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Am Montag teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit, daß gegen einen 15 und einen 16 Jahre alten Jugendlichen Haftbefehle erlassen wurden.

Am vergangenen Sonntag erschoß die Polizei in Lauf an der Pegnitz einen 34 Jahre alten Iraner, der zuvor die Polizisten mit einem Messer angegriffen hatte. Zunächst hätten die Beamten laut Polizei versucht, den Mann mit Pfefferspray sowie einem Warnschuß in die Luft zu stoppen. Daraufhin habe eine Polizistin auf den Iraner geschossen und in den Bauch getroffen. Trotz Erster-Hilfe-Leistung sei der Mann verstorben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war der Mann vor dem Vorfall polizeibekannt und war unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte auffällig geworden. Nach Angaben von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lebte der Iraner als Flüchtling in Deutschland.

„Wie viele müssen noch totgeschlagen werden, bis sich etwas ändert?“ fragte Welt-Kolumnist Harald Martenstein und kritisierte, daß die politisch Verantwortlichen im Zusammenhang mit solchen Taten wie in Bad Oeynhausen nicht die ungesteuerte Migration als wesentlich dafür verantwortlichen Mißstand bekämpfen. „Die Regierenden haben sich in dieser Frage gegen uns entschieden“, so Martensteins bitteres Resümee. 

Dabei legen statistische Daten ein dringendes Umsteuern nahe: Laut Bundeskriminalamt ist die Zahl der Tatverdächtigen 2023 insgesamt deutlich angestiegen (um 7,3 Prozent auf 2.246.767). „ Insbesondere die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen hat mit einer Zunahme von 13,5 Prozent (ohne ausländerrechtliche Verstöße) deutlich zugenommen.“ Die Gewaltkriminalität stieg im vergangenen Jahr um 8,6 Prozent. Und in Nord-rhein-Westfalen, dem Bundesland, in dem der Tatort Bad Oeynhausen liegt, stieg die Gewaltkriminalität 2023 im Vergleich zu 2013 um 21 Prozent. Und 40,7 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen bei Gewaltdelikten hatten dem Landeskriminalamt zufolge keinen deutschen Paß.  

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