© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/24 / 05. Juli 2024

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Es knallt deutlich seltener
Peter Freitag

Kaum etwas mögen Regierungsmitglieder lieber als Erfolgsmeldungen. Meist geht es dann um ein „Mehr“: mehr Wirtschaftswachstum, mehr Kindergartenplätze, mehr Haushaltsmittel. Nur bei Arbeitslosen, Schulden oder Verkehrsunfällen ist weniger mehr. Und für die Innenressorts natürlich besonders willkommen: ein Rückgang bei Straftaten. Dieser Tage freute sich etwa der nord-

rhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU), daß in seinem Zuständigkeitsbereich immer weniger Geldautomaten gesprengt werden. 

Das Phänomen ist ein bundesweites, das bevölkerungsreichste Land im Westen war allerdings eine ganze Zeit besonders stark betroffen (JF 35/22). „Oft kommen die Täter mit hochmotorisierten Sportwagen aus niederländischen Großstädten über die Grenze“, resümiert das Ministerium in Düsseldorf. Automaten in Autobahnnähe standen im Fokus, weil die Übeltäter dann mit der Beute schnell fliehen konnten. „In der Vergangenheit ist Nord-

rhein-Westfalen aufgrund guter Infrastruktur und der vielen, oft noch wenig gesicherten Geldautomaten sowie einer langen Grenze zum niederländischen Nachbarn oft Ziel von Sprengern gewesen“. Dieses Phänomen gilt unter Sicherheitsexperten als die moderne Form des Banküberfalls. „Sie sind skrupellos und schrecken auch vor Menschenleben nicht zurück“, meinte Reul früher einmal über die Täter, weil diese nicht nur mit dem verwendeten Sprengstoff Unbeteiligte in Gefahr bringen, sondern auch bei ihren rasanten Fluchten mit den PS-starken Autos.

Der Erfolg, daß im ersten Halbjahr 2024 „nur“ 18 Geldautomaten gesprengt wurden, erschließt sich im Vergleich mit den Zahlen früherer Jahre. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 88 Sprengungen. 2023 gab es insgesamt 153 Sprengungen im westdeutschen Bundesland, 2022 waren es sogar noch 182. Minister Reul schließt daraus: „Geldautomatensprenger machen immer öfter einen großen Bogen um Nordrhein-Westfalen. Das ist keine glückliche Fügung, sondern die gute Arbeit der Polizei NRW.“ Etwas Eigenlob schwingt da kaum verhohlen mit. Schließlich hat Reuls Ministerium vor zwei Jahren die Sonderkommission Bekämpfung und Ermittlung von Geldautomatensprengungen (kurz: SoKo Begas) eingerichtet. 

Bessere Arbeit am Tatort, mehr Kooperation mit den Holländern und verstärkte Prävention im Zusammenwirken mit den Banken, das seien die Zutaten des Erfolgs, lobt Reul. Die Geldinstitute etwa hätten ihre Automaten umgerüstet und teilweise mit Farbpatronen ausgestattet. Bei einer Explosion werden die Banknoten eingefärbt – und dadurch für die Täter wertlos. Für die Chefin der Soko Begas, Christa Lübbers, ist das mitentscheidend für den Rückgang. Zudem konnten ihre Kollegen aus Münster und Dortmund gemeinsam mit Beamten aus den Niederlanden jüngst wieder Teile einer Automatensprenger-Bande festnehmen. Üblicherweise sind die meisten von ihnen aus den prekären Vorstädten von Rotterdam oder Utrecht und „arabischstämmig, zweite bis vierte Einwanderungsgeneration“. 

Des einen Freud ist des anderen Leid. Fast gleichzeitig zur Vorstellung von Reuls Erfolgsmeldung sprengten im Osten des Nachbarlandes Niedersachsen Unbekannte zwei Automaten einer Postbank.