© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/24 / 28. Juni 2024

Der Flaneur
Lauben und Reihenhäuser
Gil Barkei

Umzugsträgereinsatz bei einem Freund in der Laubenkolonie. Der Kleingarten wird aufgegeben. Dabei hatte die Familie vor einigen Jahren zahlreiche Monate auf einer Interessentenliste gewartet, um die kleine grüne Naherholungsparzelle in einer guten Randgegend überhaupt zu bekommen. Außerdem hatten sie extra nochmal viel Geld in das Minihäuschen und eine neue Holzterrasse gesteckt.

Mit Klettergerüst-, Rutschen- und Schaukeleinzelteilen geht es umständlich zum geliehenen Transporter durch die schmalen Wege. Die Tage der früher oft belächelten, „typisch deutschen“ Heile-Welt-Pingeligkeit scheinen auch hier gezählt. In einem Garten steht nur noch ein Hüttengerippe inmitten von Schutthaufen: Abriß. Das Grundstück ein paar Meter weiter macht einen chaotischen, vernachlässigten, ja fluchtartig geräumten Eindruck. Am Geländehaupteingang liegt Müll verstreut herum.

Die neue Flüchtlingsunterkunft erhebt sich seitlich über der Kleingartenkolonie.

Zurück im Kleingarten blicke ich auf einen großen grauen Schuhkartonbau, der sich seitlich über der Kolonie erhebt. „Die neue Flüchtlingsunterkunft“, sagt mein Kumpel trocken. Aus den oberen Fenstern können die Bewohner direkt viele Datschen­areale einsehen. Eine befreundete Familie einige Querwege weiter sei ähnlich erfreut. Dabei hätten die extra aus einer innerstädtischen Kolonie hierher gewechselt, weil die zunehmend orientalischen Nachbarn dort angefangen hätten, lautstark ganze Hammel in ihren völlig zugequalmten Kleingärten zu grillen. 

Auf dem Rückweg geht’s an der besagten gegenüberliegenden Flüchtlingsunterkunft vorbei. Kinder spielen an den prall gefüllten Fahrradständern und auf dem geländeeigenen Spielplatz. Kopftuchfrauen mit asiatischen Gesichtszügen tragen Einkaufstüten. 

Bodentiefe Fenster und hölzerne Trennwände auf der davor liegenden Rasenfläche bilden im Erdgeschoß kleine reihenhausähnliche Abteilungen. „Eine andere befreundete Familie hat hier ein paar Straßen weiter ein Reihenhaus gekauft“, erzählt mein Freund, „rate mal, was die dafür gezahlt hat: 750.000 Euro.“


Das Wunderbare an echtem Lachen ist, daß es einfach jede Art von System zerstört, das Menschen trennt.Schauspieler John Cleese (*1939)