© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/24 / 28. Juni 2024

Nicht vereinbar
Resolution: Schriftstellerverband will keine AfD-Mitglieder dulden
Thorsten Thaler

Berlin, Rotes Rathaus, 7. Juni 1979: Der Schriftstellerverband der DDR unter dem Vorsitz von Hermann Kant schließt neun seiner Mitglieder aus: Kurt Bartsch, Adolf Endler, Stefan Heym, Karl-Heinz Jakobs, Klaus Poche, Klaus Schlesinger, Rolf Schneider, Dieter Schubert und Joachim Seyppel. Anlaß war ihr in westdeutschen Medien veröffentlichter offener Brief an den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Darin hieß es unter anderem: „Mit wachsender Sorge verfolgen wir die Entwicklung unserer Kulturpolitik. Immer häufiger wird versucht, engagierte, kritische Schriftsteller zu diffamieren, mundtot zu machen, oder, wie unseren Kollegen Stefan Heym, strafrechtlich zu verfolgen. Der öffentliche Meinungsstreit findet nicht statt. Durch die Koppelung von Zensur und Strafgesetzen soll das Erscheinen kritischer Werke verhindert werden.“

Der Schriftstellerverband inszenierte den Ausschluß der unliebsam gewordenen Autoren in einer Art Tribunal, einem Schauprozeß. Für die Betroffenen bedeutete der Rauswurf ein faktisches Berufsverbot, weshalb viele von ihnen die DDR verließen.

PEN-Zentrum beruft sich auf eigene Grundsätze

„Der Schriftsteller muß auf Ungerechtigkeit vorbereitet sein. Das ist sein Berufsrisiko.“ Der Satz stammt von Alexander Solschenizyn gegenüber einem Journalisten im März 1967. Damals war bereits sein Erstlingswerk „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ erschienen. Der Roman schildert einen Tag aus dem Leben eines Häftlings in einem sowjetischen Gulag. Gut zweieinhalb Jahre später, im November 1969, wurde der prominente russische Autor und Dissident aus dem sowjetischen Schriftstellerverband ausgeschlossen. Begründung: „antigesellschaftliches Verhalten“. Später erging es unter anderem Lew Kopelew und Wladimir Woinowitsch genauso. Alle drei wurden aus der Sowjet-union ausgebürgert.

Warum diese Reminiszenzen an den Umgang totalitärer Regime mit kritischen Köpfen. Am vergangenen Samstag hat die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland auf ihrer Mitgliederversammlung in Hamburg eine Resolution verabschiedet, die die Unvereinbarkeit der Doppelmitgliedschaft im PEN und in der AfD festlegt. Zur Begründung heißt es, die Partei propagiere Ansichten und Ziele, die den in der PEN-Charta festgelegten Werten entgegenstehen. Die politische Agenda der AfD ziele darauf ab, nationale und kulturelle Grenzen zu betonen „und oft auch zu verschärfen“. Dies widerspreche den Grundsätzen des PEN, die auf „internationale Verständigung, gegenseitigen Respekt und den Kampf gegen Haß und Intoleranz abzielen“. Den letzten – geheuchelten – Satz in der Mitteilung des Schriftstellerverbandes darf man sich auf der Zunge zergehen lassen: „Der PEN begreift sich als Anwalt des freien Wortes, und es ist unerläßlich, daß seine Mitglieder diese Werte in jeder Hinsicht unterstützen und verteidigen.“

Kritische Stimmen dazu wie damals von westlichen etablierten Medien und aus der Politik zu dem Vorgehen der Schrtiftstellerverbände der DDR und der Sowjetunion? Fehlanzeige auf ganzer Linie.