© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/24 / 28. Juni 2024

An die Idee der Freiheit glauben
Dokumentation: Auszüge aus der Dankrede des argentinischen Präsidenten Javier Milei anläßlich der Verleihung der Hayek-Medaille

Zuallererst möchte ich Ihnen für die Anerkennung des Kampfes danken, den wir vor vielen Jahren begonnen haben und der nun unerwartet Früchte trägt.(...) Wenn Sie heute irgendeinen Ökonomen an einer argentinischen Universität fragen, wer Ludwig von Mises war, wird der mit großer Wahrscheinlichkeit antworten, es handele sich um die Nummer neun der niederländischen Fußballnationalmannschaft.

In dieser feindseligen Umwelt sind wir Wirtschaftswissenschaftler in Argentinien groß geworden. Die Ausbildung, die ich erhielt, war im wesentlichen von der sogenannten „postkeynesianischen“ oder „spätkeynesianischen“ Schule geprägt, einer Spielart des Keynesianismus, die quasi-marxistische Elemente enthielt. Das hat mein Denken mit vielen schlechten Ideen belastet – wie zum Beispiel, daß staatliche Intervention und Regulierung notwendig und Unternehmer Schurken sind. (...)

Ich hatte damals einen Kollegen, einen ehemaligen Studenten der mathematischen Ökonomie. Dieser Mitarbeiter hatte die Angewohnheit, österreichische Autoren zu lesen. Einmal drückte er mir einen Artikel in die Hand – „Monopoly and Competition“ von Murray Rothbard. Das war eine wirklich wunderbare Erfahrung, dieser 140seitige Aufsatz. Als ich ihn nach drei Stunden durchgelesen hatte, wußte ich, daß alles, was ich jemals über Marktstrukturen unterrichtet hatte, völlig verkehrt war. 25 Jahre habe ich über Marktstrukturen gelehrt – alles falsch. Mein ganzes Wissen war eine einzige Farce.

Eines der Bücher, die ich mir unmittelbar nach diesem Erlebnis kaufte, war „Human Action“ von Mises. Ich erinnere mich noch, daß ich mir die Taschenbuchausgabe vornahm und sie in einem Zug von vorne bis hinten durchlas. Wie lange ich gebraucht habe, weiß ich nicht mehr, aber ich glaube, ich habe mich zwei oder drei Tage lang in meiner Wohnung eingeschlossen, bis ich fertig war. Ich bin nur aufgestanden, um zu essen, auf die Toilette zu gehen oder mit meinem Hund Conan spazierenzugehen. Dieses Buch hat alles überstrahlt.

Ich habe es mit Notizen vollgeschrieben. Also kaufte ich dieselbe Taschenbuchausgabe noch einmal, um damit zu arbeiten – und noch eine, für den Notfall. Eine ließ ich eingeschweißt auf dem Schreibtisch liegen, die andere nahm ich mit ins Büro. (...)

Der Weg vom Fernsehprofessor zum Präsidenten Argentiniens

Argentinien hatte damals Probleme mit der wachsenden Inflation. In dieser Zeit begann ich, mich an TV-Debatten zu beteiligen und die Ideen der Freiheit zu verteidigen. Dadurch gewann ich langsam an Popularität. Und irgendwann, als die Pandemie kam, war es, als würde es in der Gesellschaft Klick machen. Denn als wir eingesperrt waren, gab es eine Neubewertung der Ideen der Freiheit. Viele meiner Anhänger waren ziemlich jung. (...) Junge Menschen rebellieren gegen den Status quo. Der Status quo in Argentinien war aber sozialistisch. Deshalb hatte ihre Rebellion den Liberalismus zum Ziel – und aus irgendeinem Grund gefiel der Jugend, was ich tat. (...)

Und als die Pandemie immer weitere Kreise zog und die Regierung der „Marionette“ Alberto Fernández antrat, wurden die ersten brutal freiheitsfeindlichen Maßnahmen umgesetzt. Dabei kam es auch zu Versuchen der Zensur. Im Rundfunk wurde offen darüber diskutiert, daß wir Libertäre ein Problem seien, daß wir verboten werden müßten, aus dem Programm genommen werden müßten, daß wir nicht auf Sendung gehen dürften, daß wir gefährlich seien. Da erkannten wir, daß die einzige Möglichkeit, die Dinge zu ändern, darin bestand, sich politisch zu engagieren und „von innen heraus“ zu kämpfen. (...) Man hat uns am Anfang gesagt, wir hätten keine Chance, könnten keine Partei gründen und würden nicht ins Parlament kommen. Doch wir kamen ins Parlament. (...)

Als anarchokapitalistischer, libertärer Liberaler konnte ich meine Abgeordnetendiät nicht annehmen, weil dieses Gehalt aus Steuern stammt, die zwangsweise bezahlt wurden. Meine Schwester hatte die brillante Idee, das Geld zu verlosen. Wenn ich selbst gesagt hätte, wer es bekommt, wäre ich so wie all die anderen Politiker gewesen. Deshalb haben wir den Zufall entscheiden lassen. Als die Verlosung in Mar del Plata, einer Touristenstadt am Atlantik, stattfand, waren etwa 10.000 Menschen dabei. Mit der Aktion kamen wir auf die Titelseite von mehr als 30 der weltweit führenden Zeitungen. Wir entdeckten, daß es möglich war, etwas Größeres anzustreben, mischten den Präsidentschaftswahlkampf auf und kamen in die Stichwahl. Mit großem Vorsprung konnten wir diese schließlich für uns entscheiden.

Vor uns lag eine Wirtschaft, die im Grunde völlig zerstört war. (...) Heute kann ich Ihnen sagen, daß uns sechs Monate nach Amtsantritt die größte Haushaltssanierung in der Geschichte Argentiniens gelungen ist. Es war klar, daß diese ökonomische Konsolidierung ihren Preis haben würde. Das haben wir den Leuten auch offen gesagt. Wir haben ausgesprochen, daß keine öffentlichen Gelder mehr fließen würden und der Anfang schwer werde. Aber die guten Ergebnisse, die wir im Gegenzug dafür versprachen, kamen viel schneller, als wir uns das vorstellten. (...) Der Frühindikator, der die Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit vorwegnimmt, erholt sich nun schon zwei Monate in Folge. Wir führen nicht mehr nur noch einen Kulturkampf, sondern schlagen jetzt auch eine Schlacht mit der Wirklichkeit. Und der Grund dafür, daß die Sozialisten so gewalttätig auf uns reagieren ist der, daß wir gewinnen und ihre Lügen in sich zusammenbrechen.

Auch die politische Klasse war in den ersten Monaten gegen uns. Sie hat für kein Gesetz gestimmt – sie war wie eine Maschine, die nur existiert, um uns Steine in den Weg zu legen. Vom ersten Moment an hat sie an einem Staatsstreich gegen uns gearbeitet. Doch trotz aller Hindernisse und aller Angriffe kommen wir voran. Wir bringen die Inflation unter Kontrolle, die Wirtschaft erholt sich. Unsere Ideen sind so stark, daß wir gegen die gesamte politische Kaste gewinnen – dank der Ideen der Freiheit. (...) Wir müssen diese Ideen mit Leidenschaft verteidigen und an sie glauben, weil sie funktionieren. Es lebe die Freiheit, verdammt!“

Zur ungekürzten Rede: JUNGEFREIHEIT.de/milei