Als Javier Milei den Raum betritt, springen 300 Zuhörer von den Stühlen und rufen mitgerissen von argentinischen Gästen „Libertad! Libertad! Libertad!“ Der vor einem halben Jahr überraschend ins Amt gewählte Präsident Argentiniens avancierte in kürzester Zeit zum Idol der libertär-freiheitlichen Szene über Südamerika hinaus. Geladen hat die deutsche Hayek-Gesellschaft in ein Hotel am Hamburger Hafen zu ihrer Jahrestagung, um Milei die Hayek-Medaille zu verleihen.
Milei wurde in den Medien bekannt als der Mann mit der Kettensäge – Symbol seines brachial demonstrierten Willens, sein in Jahrzehnten sozialistischer Mißwirtschaft ruiniertes Heimatland mit harten marktwirtschaftlichen Reformen zu modernisieren. Mit einer einstündigen Rede (Auszüge auf dieser Seite) schildert Milei seinen Weg vom konventionell im staatsinterventionsitischen Sinne geschulten Ökonomen zu einem radikalen Anhänger des Denkens der Österreichischen Schule. Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises werden zu seinen Fixsternen.
„Wir brauchen weniger Think-Tanks, mehr Aktion-Tanks“
Vor Mileis Auftritt hatte der Publizist Rainer Zitelmann in einem Vortrag von den Zuhörern eindringlich gefordert, von libertärer „Sektiererei und Dogmatismus“ Abstand zu halten. Es brauche „weniger Think-Tanks, sondern mehr Aktion-Tanks“. Es reiche nicht, in Hinterzimmern mit richtigen Thesen zu Marktwirtschaft und Freiheit vergeistigt den Verstand anzusprechen, man müsse die Menschen breitenwirksam durch Humor und Emotion erreichen, es brauche eine bessere PR.
Zitelmann machte keinen Hehl daraus, daß Javier Milei genau dies verkörpere: Ökonomischen Sachverstand als Wirtschaftsprofessor und das Talent zu mitreißenden Massenauftritten. In seiner Rede hob Milei diesen Aspekt hervor, seinen Aufstieg als „David gegen Goliath“, wie er durch provokantes Auftreten Fernsehtalkshows aufmischte, wie er durch die Präsenz in Sozialen Medien besonders die Jugend und breite Schichten erreichte: Er habe Vorstellungen seiner politischen Bücher „so präsentiert, als wäre es ein Konzert der Rolling Stones, um den Wunsch zu wecken, es noch einmal zu sehen“. Viral gingen Videos von Milei, wie er Ende Mai im Luna Park in Buenos Aires vor Tausenden Anhängern in Lederjacke mit einer Rockband auftritt, mit röhrender Stimme singt, um sein Buch „Kapitalismus, Sozialismus und die neoklassische Falle“ zu präsentieren.
Etablierte Medien berichten über Mileis Deutschlandbesuch im Gleichklang als Heimsuchung eines „umstrittenen Rechtspopulisten“. Im Gegensatz zu Bundeskanzler Olaf Scholz verfügt Milei indes in Argentinien trotz härtester Einschnitte über eine klare Mehrheit in Umfragen. Ob dies so bleibt, bleibt abzuwarten. Gerade wird gemeldet, daß die monatliche Inflationsrate in Argentinien auf nahezu Null gefallen ist.
In seiner Laudatio auf Milei erinnert der Vorsitzende der Hayek-Gesellschaft, Stefan Kooths, daran, wie sich der Schöpfer des marktwirtschaftlichen deutschen Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard, gegen „unsicher und halb verzagt“ auftretende bürgerliche Kräfte durchsetzen mußte.
Verteidiger des Wettbewerbs HAYEK Gesellschaft
Die nach dem Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek (1899–1992) benannte Gesellschaft ist ein wahrhaft liberaler Verein. 1998 von Freiheitsfreunden um den badischen Unternehmer und Müllermeister Karl Rubin (1927–2005) und den Sozialwissenschaftler Gerd Habermann gegründet, widersetzt sich die Hayek-Gesellschaft seit über einem Vierteljahrhundert dem wechselnden Zeitgeist – egal woher er gerade weht. Obwohl einige Mitglieder in der FDP, der CDU oder der AfD sind, ist sie konsequent überparteilich. Das zeigte sich im deutschen Schicksalsjahr 2015, als die damalige Vorsitzende Karen Horn in der FAS vor einer „reaktionären Unterwanderung“ – sprich der AfD – warnte. Die Hayek-Gesellschaft blieb jedoch standhaft und freiheitlich, obwohl mit Horn auch Christian Lindner oder Michael Hüther austraten. Die entpuppten sich ohnehin als Pseudoliberale: Horn publizierte für das woke „Zentrum für die liberale Moderne“, der FDP-Chef ermöglicht die verheerende Ampel-Politik, und der Direktor des IW Köln will sogar die Schuldenbremse aufweichen. (fis) hayek.de