Es geht es um 2,3 Milliarden Euro. Und das sei nur die Spitze des Eisbergs, behauptet Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. Konkret geht es um den chaotischen Maskenkauf des bis Dezember 2021 von Jens Spahn geführten Bundesgesundheitsministeriums (BMG), das in der Corona-Panik Masken von nahezu jedem erwarb, der welche anzubieten vermochte. Den Deal ihres Lebens bescherte der CDU-Politiker beispielsweise zwei Schweizern, die derart satte Gewinne auf Kosten des Steuerzahlers einfuhren, daß es nicht nur für einen Ferrari und einen Bentley reichte.
Die beiden Jungunternehmer hatten dem BMG 2020 150 Millionen FFP2-Masken, 210 Millionen OP-Masken und 44 Millionen Einmalhandschuhe verkauft und dabei Traummargen erzielt. Die Staatsanwaltschaft München geht von einem Profit von bis zu 300 Millionen Euro aus. Doch das ist „Peanuts“ angesichts der Zahlungsforderungen gegenüber dem Bund, die aktuell vor deutschen Gerichten verhandelt werden. Denn trotz des verordneten Maskenzwangs dämmerte der Ministerialbürokratie, daß der Kauf von 5,7 Milliarden Schutzmasken für fast sechs Milliarden Euro überdimensioniert war. Lediglich zwei Milliarden kamen in Umlauf, 1,7 Milliarden davon in Deutschland. Der Bundesrechungshof sprach von einer „massiven Überbeschaffung“ und bescheinigte dem BMG „Ineffizienz“. Tatsächlich mußte die Hälfte der gekauften Masken ungenutzt vernichtet werden.
Um den Schaden zu minimieren, wurden Rechnungen zurückgewiesen, weil die gelieferten Masken fehlerhaft seien oder die Lieferung zu spät erfolgt sei. Was bei Amazon möglich ist, funktioniert im Wirtschaftsleben nicht. Zwar wurden laut BMG „bisher rund 80 Streitfälle duch Vergleiche beendet“, ohne Zahlen dazu zu nennen. Acht Verfahren mit einem Gesamtstreitwert von rund 50 Millionen Euro habe der Bund rechtskräftig gewonnen, lediglich zwei mit einem Streitwert von 230.000 Euro verloren. Jetzt aber hat das Oberlandesgericht Köln am vergangenen Freitag in einem anderen Einzelfall eine Revision der Bundesregierung verworfen, was die Wende bringen könnte und zwar keine positive im Sinne des Steuerzahlers.
Finanziell ging es um eine Rückforderung von 4,8 Millionen Euro, die ein Maskenlieferant wegen angeblicher Mängel zahlen sollte. Viel bedeutsamer aber ist, daß das Gericht feststellte, daß es sich bei den Maskendeals grundsätzlich um keine sogenannten „Fix-Geschäfte“ handelt. Das bedeutet, das Ministerium hätte den Geschäftspartnern eine Nachbesserungs- bzw. Nachlieferungsmöglichkeit einräumen müssen, als es die Qualität der Mund-Nasen-Bedeckungen bemängelte. Da es dies generell nicht getan hat, steht mit dem Urteil fest, daß der Bund die noch offenen Rechnungen bezahlen muß. Insgesamt waren im Rahmen des besonderen Einkaufsverfahrens („Open-House-Verfahren“) rund 1,4 Milliarden Euro ausgezahlt worden.
Aktuell laufen 100 Klagen mit einem Streitwert von insgesamt 2,3 Milliarden Euro. Mit Zinsen und weiteren Forderungen könnten es sogar 3,5 Milliarden Euro werden. „Die Folgen des Open-House-Verfahrens sind ein weiteres Argument für die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie“, sagt FDP-Haushaltspolitiker Karsten Klein: „Diese würde das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik stärken und wäre Ausdruck einer guten Fehlerkultur.“
Der Druck könnte schon bald noch größer werden, denn im Juli behandelt das OLG Köln einen weiteren Fall von Nichtzahlung von Corona-Masken. Es geht um 85 Millionen Euro. Den Ausgang dürfte auch Andreas Audretsch aufmerksam verfolgen. „Wegschweigen und wegducken reicht nicht“, sagt er in Richtung des Ex-Ministers, dessen Partei wieder in Regierungsverantwortung will. Spahn habe sich „offenkundig verzockt“, findet auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht und fordert einen Corona-Untersuchungsausschuß im Bundestag.