Marco Buschmann sprach von einem Bürokratie-Burnout, als er sein viertes Entlastungsgesetz vorstellte. An dem Syndrom erkrankte Menschen sind nicht mehr in der Lage, die Herausforderungen des Tages zu bewältigen, weil sie an einem chronischen Erschöpfungszustand leiden. Diese Diagnose paßt auch auf den Mittelstand in Deutschland. Allerdings ist die Vorlage des Justizministeriums ungeeignet, diesen Burnout zu heilen. Die Methode, die Wirtschaftsverbände abzufragen und deren Vorschläge einzuholen, ist im Prinzip gut. Von diesen Vorschlägen aber keine 15 Prozent umzusetzen, ist kein gutes Omen.
Unkonkret wird davon gesprochen, die Verwaltung zu digitalisieren. Von der Wirtschaft ist die Digitalisierung längst verlangt worden. Die Verwaltung leistet da nicht so viel. Sie erhöht aber ihre Personalkörper. Bizarr war der Vorschlag, Tausende Beamtenstellen zu schaffen, um die Kindergrundsicherung zu verwalten. Der Mittelstand muß auf Digitalisierung setzen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, auch in der Verwaltung hätte das einen erheblichen Stellenabbau zur Folge. Wer das Protokoll der Anhörung zum Gesetz im Bundestag studiert, sieht, daß fast alle Fragen aus den Ampel-Parteien auf Umwelt und Soziales hinzielten. Andere europäische Länder sind in vielen Fragen voraus. Viele Gründungen in der IT-Branche suchen daher ihr Unternehmerglück in der Fremde. Unbürokratisch alles online zu erledigen, finden sie natürlich gut. Sie sind uns auch in den Fragen der Besteuerung der mittelständischen Firmen weit voraus: mitunter liegen die Steuern hierzulande faßt doppelt so hoch wie in anderen Ländern.
Buschmann hat ein paar Nettigkeiten parat: Steuerunterlagen muß man nur noch acht statt zehn Jahre aufheben, man muß im Hotel kein Scheinchen mehr ausfüllen und kann fünf Minuten eher zum Frühstück. Die Textform überholt die Schriftform, indem sie ohne Unterschrift gültig wird. Das könnte zum Beispiel auch auf das Arbeitsrecht verbindlich ausgedehnt werden. Mit DocuSign können Unterschriften unter solche Verträge eingeholt werden. Und Rechnungen sollten auch so von jedem, auch Anwälten und Steuerberatern, elektronisch ausgestellt werden können. Notare würden gerne die Meldungen an das Handelsregister elektronisch abwickeln. Der monetäre Schwellenwert wird um jeweils 25 Prozent angehoben. Das wird in der Tat viele kleine Unternehmer in Deutschland steuerlich etwas entlasten. Aber warum hebt man nicht die Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer mit auf, die automatisch eintritt, wenn der Hebesatz in der Kommune über 400 Prozent liegt? Warum wurden nicht die Berichtspflichten drastisch ausgedünnt, sondern Nachhaltigkeitsberichte draufgesattelt? Warum wurde die Datenschutz-Grundverordnung nicht entschlackt? Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz produziert jede Menge Mehrarbeit.
Buschmann kündigte an, die Wirtschaft werde nach einer schwierigen Phase wieder ankurbeln. Eigene Ampel-Gesetze seien mangelhaft. Ging es darum? Ist es also ein Ablenkungsmanöver, indem ein erschöpfter Mittelstand unter Zuspruch etwas kaltes Wasser ins Gesicht bekommt, um weiter zu buckeln? Hinten wird ihm derweil weiter die Hucke schwer mit neuer Bürokratie voll geladen. 11.000 Insolvenzen gab es seit Jahresanfang. Andere Unternehmer geben ihr Geschäft auch ohne direkte Not auf – viele machen einfach das Spiel nicht mehr mit: Sie ziehen sich in den Ruhestand oder ins Ausland zurück.