Zu den stabilsten Säulen des Landes gehört der Staatsdienst. Auch die Besoldungs- und Gehaltsstruktur hat sich über die Zeiten hinweg als überaus stabil erwiesen. Und seit über hundert Jahren wird den Beschäftigten in den Ministerien eine „Ministerialzulage“ gewährt. Eingeführt wurde sie, damit die Beschäftigten der damaligen Reichsregierung im teuren Berlin in ordentlicher Kleidung und mit gutem Schuhwerk im Dienst erscheinen konnten.
Die Lebenshaltungskosten in Berlin sind auch heute sehr hoch. Gewandelt hat sich nur die Begründung für die Zulage: Gewährt wird sie jetzt „für die Wahrnehmung einer herausgehobenen Funktion“. Und der Kreis der Anspruchsberechtigten ist längst nicht mehr so beschränkt: In ihrer Antwort auf eine AfD-Anfrage erklärt die Bundesregierung, daß auch die Beschäftigten aller obersten Bundesbehörden, Bundesgerichte und die Beschäftigten des Bundesrechnungshofs die Zulage erhalten. Sogar an die rund 3.000 Beschäftigten der Bundestagsverwaltung wird die Zulage gezahlt.
1979, als in Bonn Helmut Schmidt (SPD) mit einer sozialliberalen Koalition regierte, mußte angesichts knapper Kassen gespart werden. Zwar reichte der Mut nicht zur Abschaffung der Ministerialzulage, die im Gegensatz zu den Leistungs- und Erschwerniszulagen im öffentlichen Dienst allein an den Ort des Arbeitsplatzes geknüpft ist und in Ministerien und den anderen genannten Behörden jedem Beschäftigten vom Pförtner bis zum Staatssekretär gewährt wird. Aber sie wurde eingefroren, und 40 Jahre lang blieb das so. Erst 2019, inzwischen war Angela Merkel (CDU) Kanzlerin, taute man die Zulage auf und erhöhte sie kräftig.
Die Erhöhung führte inzwischen fast zu einer Verdoppelung der Kosten für die Ministerialzulage, wobei sich die Personalaufblähung in der Bundesregierung ebenfalls kostensteigernd bemerkbar macht: Wie aus der Antwort hervorgeht, wurden 2018 für 16.444 Beamte und 9.510 Tarifbeschäftigte 52,4 Millionen Euro für die Ministerialzulage ausgegeben. 2022 waren es für 19.270 Beamte und 10.566 Tarifbeschäftigte insgesamt 94,4 Millionen Euro. Die Zulage stieg von 2019 auf 2020 für Angehörige der Besoldungsgruppen A10 bis A13 von 181,54 Euro im Monat auf 275 Euro. In den Besoldungsgruppen A14 und A15 stieg die Zulage von 235,86 Euro auf 330 Euro im Monat. Wie schon der Bund der Steuerzahler, der von einem „100 Jahre alten Relikt“ spricht, fordert auch die AfD die Abschaffung: „Es kann keine sinnvolle Erklärung gefunden werden, wofür diese Zulagen gut sein sollen, zumal die Gehälter der Angestellten und Beamten des Bundes auch so nicht zu verachten sind“, meint der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Brandner.
Einmal wurde doch ein Pflock gegen das Versorgungswesen im Staatsdienst eingeschlagen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte 1999 die Klage eines Beamten ab, der die Ministerialzulage auch noch auf sein Ruhegehalt angerechnet haben wollte, was zu einer höheren Pension geführt hätte.