© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/24 / 28. Juni 2024

Ländersache: Hamburg
Ferien kommen ungelegen
Peter Freitag

Auf kaum eine andere Forderung können sich Politiker parteiübergreifend so schnell einigen wie auf die nach mehr Digitalisierung. Wenn es einem allerdings in den Kram paßt, darf es ruhig ein bißchen analoger bleiben. Zumal wenn sich auf diese Weise unliebsame Abstimmungsergebnisse verhindern lassen. 

Ein Beispiel? Der Umgang von Hamburgs rot-grünem Senat mit der Volksinitiative „Schluß mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“. Die hatte in einem ersten Schritt genügend Unterschriften gesammelt, benötigt aber für ein Volksbegehren, die nächste Stufe in Richtung Gesetzgebung,  66.000 Unterschriften. Um sie auf der Straße zu sammeln, haben die Initiatoren allerdings nur drei Wochen Zeit. Und diese Frist fällt nach aktuellem Stand genau in die Sommerferien der Hansestadt. Denn eine Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken in der Bürgerschaft hatte es abgelehnt, den Termin auf die Zeit nach den Sommerferien zu verschieben. Weil viele Hamburger dann im Urlaub sind, können die Unterschriftensammler weniger potentielle Unterstützer zum Unterzeichnen des Volksbegehrens antreffen.  

Ein Schelm, wer dahinter eine Absicht wittert. Schließlich macht der rot-grüne Senat kaum einen Hehl daraus, daß er dem Ansinnen negativ gegenübersteht. Wiederholt hatte sich Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) gegen ein generelles Verbot der Gendersprache in Verwaltung und Behörden ausgesprochen. Weder dort noch in Schulen oder an der Universität sei das Gendern vorgeschrieben, müsse aber möglich sein. Für Mitinitiatorin Claudia Guderian, ehemalige Generalsekretärin des Schriftstellerverbandes PEN, geht es jedoch darum, „daß wir Bürger und vor allem unsere Kinder nicht überall dort gezwungen werden, komplizierte gegenderte Sprache zu lesen und zu hören, wo wir uns dem nicht entziehen können“. Dies gelte „für Behördenschreiben ebenso wie im Schulunterricht“. 

Empört ist man bei der Volksinitiative nun darüber, daß angesichts des ungünstigen Termins der Senat auch noch die Möglichkeit einer Online-Abstimmung bei diesem Volksbegehren verwehrt, obwohl das Volksabstimmungsgesetz so etwas durchaus zulassen würde. „In einer Zeit, in der digitale Signaturen mittels Smartphone und Personalausweis rechtlich möglich sind, bleibt Hamburg in der digitalen Umsetzung zurück“, kritisierte Guderian.

Deswegen hat die Volksinitiative nun einen Eilantrag beim Hamburgischen Verfassungsgericht eingereicht, um die Möglichkeit einer digitalen Abstimmung zu erreichen. Dies stehe nicht im Ermessen des Staates, betonte der Vertrauensmann  der Volksinitiative, Jens Jeep. Die Bürger hätten einen Rechtsanspruch, der Senat müsse diesen unterstützen, so der Notar. Sei der Bürgerwille nur von Interesse, wenn er der Bürgerschaftsmehrheit passe, könne man die direkte Demokratie gleich ganz aus der Verfassung streichen, beschwert sich die Initiative. Unterstützung kommt von der Opposition. André Trepoll (CDU) verwies darauf, daß ja aus gutem Grund keine Wahlen in den Ferien stattfinden. Daß sich per Klage der Termin verschieben lasse, hofft auch AfD-Parlamentsgeschäftsführer Krzysztof Walczak.