© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/24 / 28. Juni 2024

„Sicher, modern und umweltverträglich ...“
Trumps letzte Chance
Wollen die Demokraten Biden noch vor der Wahl austauschen?

In der großen Politik geht es hitzig her: Am letzten Donnerstag im Juni steht das erste Duell der Kontrahenten um die US-Präsidentschaft an: Ex-Präsident Donald Trump gegen den Amtsinhaber Joe Biden. In der Sache geht es um die Themen, die auf den Nägeln brennen: eine noch immer grassierende Inflation, die Konflikte im Nahen Osten und der Ukraine und natürlich das Reizthema der Einwanderung. Vermutlich weniger am Donnerstag diskutiert, aber dennoch akut: in den Großstädten explodiert die Gewaltkriminalität. 

Alles sieht nach einer Neuauflage von 2020 aus: diesmal ohne Covid, dafür aber mit zwei Kriegen. Biden wird seinen Gegner als gefährlichen Extremisten darzustellen versuchen; Trump wird auf die Altersschwächen Bidens hinweisen.

Im Lager der Demokraten munkelt man über eine Rochade: der sichtlich erschöpfte Präsident könnte in letzter Minute noch gegen einen jüngeren Kandidaten ausgetauscht werden, etwa den Gouverneur Kaliforniens Gavin Newsom. Wahrscheinlich ist das nicht. Bei den Republikanern hat Trump die schwache Konkurrenz erfolgreich in den Vorwahlen abgeschmettert. Unklar ist lediglich die Personalie seines Vizes: Wird Trump einen der Konkurrenten wie Nikki Haley oder gar Vivek Ramaswamy eingliedern oder einen Überraschungskandidaten, etwa den schwarzen Senator Tim Scott nominieren?

Indes: Das Land ist politisch gespalten wie zuletzt zur Zeit des Vietnamkrieges und der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 60er und 70er. Trotz passabler Wirtschaftsdaten drängen sich Parallelen zur Carter-Ära der späten 70er Jahre auf: ein schwacher, linker Präsident, dem außenpolitisch vieles entgleitet, während im Land Stagflation, hohe Kriminalität und angespannte Rassenbeziehungen für Unruhe sorgen. 

Den Umfragen zufolge führt Trump leicht und dies sogar in den strategisch wichtigen Staaten des Mittleren Westens wie Michigan, Wisconsin oder Pennsylvania. Auch und gerade hier gilt: Der Stadt-Land-Kontrast ist frappierend. In den Großstädten wie Pittsburgh, Philadelphia oder Detroit dominieren die Demokraten, in den kleineren Unistädtchen wie Ann Arbor ebenfalls, auf dem Land gehen die Uhren anders und die Trump-Fahnen auf den Veranden, und die entsprechenden Autoaufkleber sind nicht zu übersehen. Die Parteitage beider Großparteien finden diesen Sommer bezeichnenderweise im umkämpften Mittleren Westen statt: Milwaukee und Chicago.

1980 endete Amerikas Linksruck mit einer scharfen Kurskorrektur. Denkbar ist dies auch diesmal, nur wird ein möglicher Wahlsieg Trumps weit knapper ausfallen als der Ronald Reagans. Den Demokraten entgleitet zunehmend die nicht-weiße Arbeiterschicht, die weiße hatte sich bereits 2020 dauerhaft verabschiedet. 

In Sachen wahlpolitische Bruchlinien drehen sich also zunehmend die Vorzeichen um: Das angesprochene Stadt-Land-Gefälle ist bekannt; indes die unteren sozialen Einkommensschichten und Wähler ohne Uni-Abschluß wählen eher rechts. Als zweite Komponente gilt der Familienstand: Verheiratete stimmen eher für Trump, besonders bei weißen Frauen ist das augenfällig. Und drittens die Abstammung: Bei nicht-weißen Wählern gelingt es den Republikanern nur langsam, aber doch beständig zuzulegen. 

Die Demokraten müssen also einen Spagat hinbekommen, der ihre zunehmend nicht-weiße Wählerschaft ebenso anspricht wie linke weiße Akademiker, Homosexuelle, und Besserverdienende. Eigentlich verbindet diese Klientel nicht viel. Außerdem knirscht es gehörig im Gebälk: Am linken Rand und an vielen der Universitäten ist die Kritik an der Unterstützung Israels mehr als deutlich. Im Bundesstaat Michigan rebelliert die arabischstämmige Bevölkerung. Höhere Einkommens- oder gar Vermögenssteuern dürften an der Wall Street und an den wohlhabenden Küsten sehr schlecht ankommen. Der Ukraine-Krieg wird zunehmend als Faß ohne Boden wahrgenommen. Auch unter Schwarzen, gerade in Großstädten wie New York und Chicago, kommt die tolerierte Masseneinwanderung über die de facto offene Südgrenze schlecht an. Die Sozialleistungen fehlen anderswo, die Konkurrenz durch die legalen wie illegalen Einwanderer schlägt auf den Arbeitsmarkt durch.

Die oft als dritte Amtszeit Obamas charakterisierte Biden-Ära kombinierte uneinheitliche Außenpolitik mit vulgär-keynesiastischer Wirtschaftspolitik sowie „woker“ Kulturpolitik im Innern. Eine weitere Amtsperiode wäre brandgefährlich für die USA und unangenehm für Deutschland. 

Die auf Pump finanzierte Ankurbelung der Wirtschaft dürfte weiterlaufen, der Ukraine-Krieg weiter forciert werden mit der Gefahr der Eskalation; im Innern würde die woke Politik wieder neu angefeuert werden. Vier Jahre nach dem Tod George Floyds beginnt in US-Unternehmen ein Umdenken weg vom moralisch verordneten Rassismus mit verdrehten Vorzeichen. Die Vielfaltsfetischisierung ist schlicht unrentabel, und langsam ist der Zenit überschritten. Nur: In Washington ist das Signal noch lange nicht angekommen, und würde es unter Biden oder der gegenwärtigen Vizepräsidentin Kamala Harris auch dauerhaft nicht.

Kurz vor den Wahlen greift Biden nun doch noch gegen die Masseneinwanderung durch: Nach seinem Wahlsieg dürfte die jetzt beschlossene Verlagerung von Asylbewerbern auf mexikanisches Staatsgebiet wohl schnell wieder kassiert werden. 

Eine Biden-Harris-Regierung würde von Deutschland immer mehr Engagement in der Ukraine abverlangen und gleichzeitig weiterhin eine arrogante Gutsherren-Attitüde (Stichwort: Nord Stream) an den Tag legen. Im Innern würde weiter Diversität gepredigt werden, mit entsprechender Personalpolitik im öffentlichen Dienst, und mit immer höheren Staatsausgaben auf Pump versucht, soziale und rassische Spannungen abzufedern.

Aber das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. In Europa schlägt das Pendel gerade nach rechts aus. In den USA ist das nicht nur denkbar, sondern sogar wahrscheinlich.


Prof. Georg Menz lehrt Politikwissenschaften an der Old Dominion University, Virginia, USA