© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/24 / 21. Juni 2024

Umwelt
Was macht das Wild?
Ludger Bisping

Rehe sind unsere häufigste paarhufige Wildart. Autofahrer dürften in der Dämmerung schon Böcke und Ricken erschreckt haben. Doch wie lebt Rehwild? Wie paßt es sich veränderten Umweltbedingungen an? Ein Datenschatz gibt darüber nun Auskunft: ln einer Langzeitstudie wurden in Baden-Württemberg Erkenntnisse der vergangenen fünf Jahrzehnte zusammengetragen. Die Wildforschungsstelle kann die Lebenswege von 17.700 markierten Rehkitzen nachverfolgen. Die bisher für sehr standorttreu gehaltenen Rehe sind mobiler als gedacht. Die mittlere Abwanderung zwischen Geburts- und Sterbeort beträgt mehr als einen Kilometer. Dabei entfernen sich die weiblichen Stücke weiter als die Böcke. Nur rund zwei Prozent des Bestandes entfernen sich weiter als zehn Kilometer, meist alte Ricken. Zuweilen kehren diese aber auch an ihren Geburtsort zurück.

Im Durchschnitt beträgt die Lebenserwartung der Rehe in einem bewirtschafteten Revier etwa zwei Jahre.

Die häufigste Todesursache – nach dem Hegeabschuß im Rahmen eines Plans nach Alterspyramide und Geschlechterverhältnis – ist der Straßenverkehr. Im Durchschnitt beträgt die Lebenserwartung in einem bewirtschafteten Revier etwa zwei Jahre. Böcke werden meist älter als weibliche Stücke. Die Verluste durch Kreiselmäher bei der Wiesenmahd sind durch die Kitzsuche per Wärmebild-Kameradrohnen stark zurückgegangen. Die Sterblichkeit von Kitzen durch Krähe oder Füchse ist weiter hoch. Der Setzzeitpunkt der Kitze hat sich durch einen meteorologisch vorgeschobenen Frühlingsstart nach vorne verlagert. Sobald die Vegetation zu sprießen beginnt, kommen die Kitze zur Welt. Schließlich gewinnt die Art damit einen Zeitvorteil: Je üppiger die Äsungsbedingungen, desto gestärkter geht es in den Winter. Die Erhebung der Daten erfolgte bisher durch Ohrmarkierung von Kitzen durch Ehrenamtler und Aktivisten aus der Jägerschaft. Künftig sollen Online-Anwendungen das Projekt ergänzen. Denn weiterführen will man die Studie: Es seien einige Fragen offen, heißt es aus der Wildforschungsstelle, etwa wie sich Trockenperioden auf die Reproduktion auswirken.