© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/24 / 21. Juni 2024

Der Bundestag: Machtlose Institution mit klangvollem Namen
Spiel über die Bande

Der Text des Grundgesetzes (GG) hat seit 1949 kräftig zugelegt: von schlanken 11.000 auf 23.000 Wörter. Die fast 70 Änderungen spiegeln für den Juristen Jochen Theurer die welthistorischen Ereignisse getreulich wider, von der Wiederbewaffnung 1955 über den Vertrag von Maastricht und der Abschaffung der D-Mark. Sie offenbaren aber auch die stetige Übertragung nationalstaatlicher Hoheitsrechte auf die Brüsseler EU, deren Rechtsordnung das GG mittlerweise vollständig überforme (zeitzeichen, 5/2024). Parallel dazu habe sich die faktische Macht im Staat dramatisch zu Lasten des Parlaments und zugunsten der Regierung verschoben, die die Gesetzgebung auf der Ebene der EU beeinflussen und so im „Spiel über die Bande“ Regelungen auf den Wege bringen könne, die im Bundestag oder in der Öffentlichkeit ohne Mehrheit wären. Zudem habe sich der Informationsvorsprung der Regierung aufgrund des massiven Ausbaus der Ministerialbürokratie derart erhöht, daß dem Bundestag mit seinen nur 3.000 Mitarbeitern als Gesetzgeber das Schicksal drohe, eine Institution mit klangvollem Namen, aber mit relativ wenig Entscheidungskompetenzen zu werden. Um diesen Legitimationsverlust auszugleichen, gebe es nur ein Gegenmittel: die Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene. (dg)  

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