Wir leben nur für heute/ Wir grüßen alle, die rocken wollen/ Wir grüßen dich/ Feuer“. In diesem Moment donnern die letzten Kanonenschüsse, der Rauch steigt auf in den Abendhimmel, und annähernd 80.000 Fans auf dem Festivalgelände der Messe Dresden jubeln glücksselig. Der Song „For Those About to Rock (We Salute You)“ bildet den krönenden Abschluß des AC/DC-Konzerts vergangenen Sonntag an gleicher Stätte wie vier Wochen zuvor Rammstein (Streifzüge vom 24. Mai). In ihrem fünfzigsten Jubiläumsjahr ist die australische Hardrock-Band wieder auf Tour, höchstwahrscheinlich zum letzten Mal. Ihren ersten Auftritt hatte die von den in Schottland geborenen Brüdern Malcolm und Angus Young gegründete Gruppe am Silvesterabend 1973 in einem Club in Sydney, mittlerweile ist von der Originalbesetzung nur noch Leadgitarrist Angus Young übrig. Grund genug also, der Kultband noch einmal die Anerkennung zu erweisen, in die sächsische Landeshauptstadt zu pilgern (Berlin steht nicht auf dem Tourplan) und gut zwei Stunden lang die Riffgewitter auf sich niederprasseln zu lassen.
Daß Sänger Brian Johnson seit über vierzig Jahren als „der Neue“ firmiert, ist hochgradig ungerecht.
„Meine Frau sagt, sie erkennt ein Riff der Rolling Stones sofort an den klassischen drei Akkorden. Sehr schön, sag’ ich dazu, aber viel zu aufwendig.“ (Angus Young in einem Spiegel-Interview, November 1997)
Der Sturm über Dresden („I’m rolling thunder, pouring rain/ I’m coming on like a hurricane“) bricht los mit „If You Want Blood (You’ve Got It)“ von dem 1979er-Album „Highway to Hell“ und gleich darauf „Back In Black“ von der ein Jahr später erschienenen gleichnamigen ersten Platte nach dem tragischen Tod von Sänger Bon Scott mit Brian Johnson am Mikro. Apropos: Daß der heute 76jährige aus einem Arbeiterviertel Nordenglands stammende Johnson seit über vierzig Jahren als „der Nachfolger“ oder „der Neue“ firmiert, ist zwar hochgradig ungerecht, zeigt aber umgekehrt die Verehrung, die der im Februar 1980 im Alter von 33 Jahren unter Alkoholeinfluß verstorbene Bon Scott bis heute in Fankreisen genießt. So schwelgt nicht nur meine Begleiterin in Dresden in Erinnerung an den charismatisch-virilen Sänger, den sie noch im Dezember 1979 bei einem Konzert in Berlin erleben durfte. Dabei hat sich Brian Johnson über die Jahrzehnte hinweg nun wirklich wacker geschlagen, auch wenn er inzwischen stellenweise deutlich mit seiner Reibeisenstimme zu kämpfen hat.
T-Shirt-Aufdruck eines nach Konzertende schwer torkelnden AC/DC-Fan, frei nach Tolkiens Zauberer Gandalf: „Erwartet meine Rückkehr beim ersten Licht des fünften Tages bei Sonnenaufgang, schaut nach Osten“.
Alex Gernandt: AC/DC. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. Klartext Verlag, Essen 2022, broschiert, 120 Seiten, Abbildungen, 16,95 Euro