© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/24 / 21. Juni 2024

Erinnerung an Preußen tilgen
Berliner Stadtschloß: Kritiker der barocken Fassade wollen eine Umgestaltung
Peter Möller

Die politische Linke wird es dem Deutschen Bundestag niemals verzeihen, daß seine frei gewählten Abgeordneten 2002 mehrheitlich dafür gestimmt haben, das Berliner Stadtschloß mit seinen barocken Fassaden wieder aufzubauen. Auch drei Jahre nach der Eröffnung des Humboldt-Forums in der ehemaligen Hohenzollernresidenz lassen die Angriffe der eingefleischten Schloßgegner rund um den Architekten Philipp Oswalt nicht nach, im Gegenteil, sie werden immer wütender und – man muß es so sagen – verrückter.

Mit dem neusten Projekt machen Oswalt und seine Kampfgenossen unverhohlen deutlich, daß sie die in den vergangenen Jahren von zahlreichen Steinmetzen und Handwerkern mit großer Kunstfertigkeit nach den Plänen und dem Vorbild des Barockbaumeisters Andreas Schlüter dem Sandstein abgerungene Fassade am liebsten wieder zerstören würden. Auf der Internetseite der Initiative „Schloßaneignung“ wird dieses Vorhaben natürlich elegant umschrieben. „Wir fordern, die mit dem Nachbau der Berliner Schloßfassaden erfolgte Preußenverherrlichung aufzubrechen“, heißt es auf der in Schwarz gehaltenen Internetseite, die ausgerechnet mit einem aktuellen Bild der Lustgartenfassade des Schlosses illustriert ist. Das Stadtschloß habe immer für eine enge Verbindung von Staat und Politik gestanden, lautet der Hauptvorwurf der Initiatoren, und man möchte ihnen entgegnen: Das haben Schlösser, insbesondere Residenzschlösser, so an sich.

Doch Oswalt und seine Mitstreiter belassen es nicht dabei, sondern behaupten zudem, daß Berliner Stadtschloß habe auch für das koloniale Expansionsbestreben Preußens und des Deutschen Kaiserreichs gestanden, auch innerhalb Europas. Ein Vorwurf, der in Zeiten der „Dekolonisierung“ zumindest in linken politischen Kreisen schwer wiegt. Doch es war nicht alles schlecht: „Gleichzeitig steht es wie kaum ein anderer Ort für die Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts: Für die Revolution von 1918, die Zeit der Weimarer Republik, des Zweiten Weltkriegs, der Deutschen Teilung und der DDR, aber auch der friedlichen Wiedervereinigung und der kulturellen Aneignung des Baus“, gibt sich die Initiative fast schon versöhnlich, um damit zum Kern ihres Vorhabens zu kommen.

Das Berliner Schloß stehe für die deutsche „Gewaltgeschichte“ 

Denn die unterschiedlichen Bedeutungen des Ortes, an dem ja auch für einige Jahre der DDR-Prestigebau „Palast der Republik“ stand, sollen „mit künstlerischen Mitteln wieder am Ort anschaulich“ gemacht und in die Fassaden des Humboldt-Forums eingeschrieben werden. „Damit würde auch der Instrumentalisierung des Projektes durch rechtsradikale Kreise der Boden entzogen, die von Anfang an für den „originalgetreuen“ Wiederaufbau geworben und gespendet haben“, heißt es zwar am Ende, doch diese Argumentation ist mittlerweile zentral für die Schloßgegner. Ging es ihnen anfangs noch darum, eine Lanze für die moderne Architektur zu brechen und den Wiederaufbau der Barockfassaden als rückwärtsgewandt und als Disneyland-Architektur zu diskreditieren, hat man sich nun eine andere, nicht weniger haltlose Erzählung zurechtgelegt: Demnach ist der Wiederaufbau des Schlosses maßgeblich von rechtsradikalen Kräften finanziert worden, die das Ziel verfolgt hätten, das Land damit zumindest architektonisch nach rechts zu rücken. Und so behauptet dann auch der Schriftsteller Max Czollek, der zu den Ideengebern der Aktion gehört, in einem Filmchen auf der Internetseite: „Eins ist sicher: Das Stadtschloß gefällt Rechten und bürgerlichen Deutschen.“ Vermutlich ist dies als Argument gegen das Schloß gemeint.

Der linke Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer, der selten um schräge Thesen verlegen ist, behauptet in einem weiteren Filmchen, daß das Berliner Schloß für die deutsche „Gewaltgeschichte“ stehe und sein Wiederaufbau Auschwitz überspringe. Der Berliner Architekt Fred Plassmann wiederum läßt uns an seiner Erkenntnis teilhaben, daß das neu errichtete Hohenzollernschloß eine fiktive preußische rechtsnationale Gesellschaft symbolisiere, „die so gar nicht existiert“. Er möchte den Barockbau daher nach dem Vorbild des Berliner Karneval der Kulturen „bunt, divers und vielfältig“ umgestalten und zum Symbol einer pluralen und offenen Stadt machen. Lustig an diesen kleinen Filmchen ist, daß im Hintergrund der jeweiligen Sprecher Bilder des wiederaufgebauten Stadtschlosses zu sehen sind – und nicht etwa Fotos des kriegszerstörten Schlosses oder des Palastes der Republik, dem die Initiative ja auch hinterhertrauert. Fast scheint es, als möchten die Streiter für eine Dekonstruktion der Barockfassade bei ihrem Werben um Unterstützung nicht mit ästhetisch fragwürdigen Bildern verunsichern.

Um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen und die ungeliebte Fassade, trotz des eindeutigen demokratischen Votums des Bundestages, doch noch irgendwie zu verunstalten, hat die Initiative einen künstlerischen Wettbewerb ausgeschrieben. „Es ist an der Zeit, die Preußenverherrlichung zu brechen und die äußere Erscheinung des Humboldt-Forums zu verändern. Künstler und Architekten können Vorschläge machen, wie „mit künstlerischen Mitteln die verdrängten Schichten des Ortes“ wieder anschaulich gemacht und in die Fassaden des Humboldt-Forums eingeschrieben werden können.

Wie das am Ende aussehen könnte, läßt sich bereits jetzt auf der Internetseite der Initiative erahnen: Dort sind auf Bildern der aktuellen Fassade die teilweise großflächigen Kriegsschäden, die durch Bombenangriffe oder die Straßenkämpfe mit der Roten Armee verursacht wurden, schwarz eingezeichnet. Die darunter liegende Sandsteinfassade wird dadurch faktisch ausgelöscht.

Die Botschaft dieser hilflosen Initiative ist so simpel ist wie perfide: Wenn wir den Wiederaufbau des Stadtschlosses schon nicht verhindern konnten, so können wir immerhin noch versuchen, es wieder kaputtzumachen oder aber zu entstellen. In einer Stadt wie Berlin, die von den tonangebenden Schichten für ihre Häßlichkeit und Schlampigkeit gefeiert wird, kann man sich leider nie sicher sein, daß die Schloß-Hasser dieses Ziel eines Tages nicht doch erreichen werden. Und sei es nur, daß demnächst eine selbsternannte Künstlergruppe mit Farbbomben die Fassade „verschönert“. Der Applaus der linken Kunstszene dürfte ihr bereits jetzt gewiß sein.