In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel 2021 nicht nur den „Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderten“, und „finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau“ versprochen. Die Koalitionäre kündigten auch ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ und die zeitnahe Einführung einer „Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit“ (NWG) mit „steuerlicher Förderung und Investitionszulagen“ an. Dies werde „eine neue Dynamik in den Bau“ bringen und die „dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen“. All das sollte „nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit die Struktur der etablierten Wohnungswirtschaft ergänzen, ohne diese zu benachteiligen“.
Besonders den Grünen war die NWG ein Herzensanliegen, eine Verkörperung ihrer Visionen vom alternativen, gemeinwohlorientierten Wirtschaften. Was die Ampel jetzt in Form von zwei punktuellen Änderungen der Abgabenordnung im Rahmen des Jahressteuergesetzes tatsächlich beschlossen hat, ist gemessen an den großen Ankündigungen nicht mehr als eine Mausgeburt.
Gewinnausschüttungen auf vier Prozent der Kapitaleinlage begrenzt
Die Wohnungsgemeinnützigkeit hat in Deutschland eine lange Geschichte. Sie war in ihrem Ursprung im 19. Jahrhundert eine philanthropische Bewegung von Großbürgern, die die untragbaren Wohnverhältnisse der städtischen Arbeiterschaft verbessern wollten. Später haben sich dann staatliche Instanzen dieser Bewegung bedient und die gemeinnützigen Genossenschaften und Bauvereine mit Fördermaßnahmen unterstützt. Die Folge war ein immer größerer Staatseinfluß auf die gemeinnützige Wohnungswirtschaft. Besonders in der Zwischenkriegszeit wurden vielerorts gemeinnützige öffentliche Wohnungsunternehmen als Bauträger für den sozialen Wohnungsbau gegründet. Auch die Wohnungsgenossenschaften und die meisten Werkswohnungsunternehmen waren gemeinnützig. Seit 1930 wurden gemeinnützige Wohnungsunternehmen steuerlich gefördert.
Um den privilegierten Status eines „gemeinnützigen“ Wohnungsunternehmens und damit die steuerlichen Vorteile zu erhalten, mußten die Unternehmen einige Voraussetzungen erfüllen. Unter anderem waren Gewinnausschüttungen auf vier Prozent der Kapitaleinlage begrenzt, und die Kostenmiete galt auch nach Ablauf der Sozialbindung einer Wohnung weiter. Die gemeinnützigen Unternehmen waren die wichtigsten Träger des sozialen Wohnungsbaus. Ende der achtziger Jahre gab es 1.800 gemeinnützige Wohnungsunternehmen mit 3,4 Millionen Wohnungen.
Der bedeutendste Anbieter in den Reihen der gemeinnützigen Unternehmen war die gewerkschaftseigene Firmengruppe „Neue Heimat“, die bis zu 400.000 Mietwohnungen bewirtschaftete. Durch Mißwirtschaft und korruptes Verhalten des Managements geriet die „Neue Heimat“ 1982 in eine Krise, die schließlich zu ihrer Auflösung führte. Dieses singuläre Ereignis wurde zum Anlaß dafür genommen, die Notwendigkeit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft politisch grundsätzlich in Frage zu stellen und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) 1990 aufzuheben. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 soll nun die „Förderung wohngemeinnütziger Zwecke“ als neuer gemeinnütziger Zweck in die Abgabenordnung aufgenommen werden. Die NWG knüpft an die bisher schon nach der Abgabenordnung mögliche „mildtätige Vermietung“ an.
Für die bedürftigen Mieter gelten allerdings höhere Einkommensgrenzen. Mildtätige und gemeinnützige Vermieter sind von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit und genießen Vergünstigungen bei anderen Steuerarten. Den Steuervorteilen stehen die engen Voraussetzungen für steuerbegünstigte Zwecke nach der Abgabenordnung gegenüber: Die Körperschaft muß die steuerbegünstigten Zwecke ausschließlich, unmittelbar und selbstlos verfolgen. Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter oder Mitglieder sind nicht möglich, nicht mal bei Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei Auflösung der Gesellschaft. Das ist also reine Philanthropie und keine Ausschüttungsbegrenzung wie bei der alten Wohnungsgemeinnützigkeit.
Restriktive Voraussetzungen in der künftigen Abgabenordnung
Die Regelungen zur Miethöhe sind dagegen nicht sehr streng: Der Mietzins muß nicht wesentlich unter der Marktmiete liegen. Auch die weit gezogenen Einkommensgrenzen, die rund 60 Prozent der Haushalte einschließen, müssen nur beim Einzug eingehalten werden. Damit sind Fehlbelegungen vorprogrammiert. Die Voraussetzungen für die Wohngemeinnützigkeit in der Abgabenordnung sind aber alles in allem so restriktiv, daß es nur in geringem Umfang zu Neugründungen oder Statuswechseln kommen wird.
Es wird also in Zukunft nur wenige gemeinnützige Wohnungsunternehmen im Sinne der Abgabenordnung geben, von denen kein spürbarer Beitrag zur Lösung der Probleme an den Wohnungsmärkten zu erwarten ist. Die Ampel betreibt hier mal wieder Politiksimulation. Es bleibt aber die Frage, ob es überhaupt eine gute Idee ist, die Wohnungsbauförderung auf gemeinnützige Anbieter zu konzentrieren. Auch gemeinnützige Unternehmen müssen schließlich Gewinne erzielen, um Investitionen zu finanzieren, und im Zweifel arbeiten rein profitorientierte Anbieter wie der Bochumer Dax40-Konzern Vonovia SE effizienter.
Abgesehen davon hat die Gemeinnützigkeit auch einen organisationskulturellen Aspekt. Man verspricht sich von ihr einen kulturellen Wandel, eine stärkere Berücksichtigung der Interessen anderer Anspruchsgruppen wie zum Beispiel Mieter, Mitarbeiter, Anwohner zu Lasten der Eigentümer. Aber auch börsennotierte Wohnungsunternehmen leisten ganz eigennützig ihren Beitrag zur Stadtentwicklung und fördern den Austausch und die aktive Teilhabe ihrer Mieter in den Quartieren. Außerdem haben die Finanzmärkte und die EU-Kommission eine Taxonomie geschaffen, nach der die Leistungen der Unternehmen in den Bereichen Ökologie, Soziales und gute Unternehmensführung bewertet werden (Environmental, Social, Governance/ESG). Wenn alle Firmen irgendwie gemeinnützig werden sollen, wozu braucht es dann noch gemeinnützige Unternehmen mit besonderen Steuervorteilen?
vdwbayern.de/2023/06/20/eckpunktepapier-des-bmwsb-zur-neuen-wohngemeinnuetzigkeit-nwg
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