Ein Untersuchungsausschuß des Bundestags gilt als das schärfste Schwert der Opposition. Und dieses Schwert will die Unionsfraktion jetzt gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) richten. Es geht um die Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke, die für Ende 2022 vorgesehen war, aber durch ein „Machtwort“ von Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch eine zusätzliche Restlaufzeit bis Mitte April 2023 erhielten. Daß bei dem Aus für die Kernenergie wichtige Aspekte trotz gegenteiliger Ankündigung von Habeck nicht geprüft worden seien, vermutet die Unionsfraktion.
Tatsächlich wirft das Studieren diverser Vermerke aus Habecks Wirtschaftsministerium Fragen auf. Interessant ist zuerst, daß das Ministerium auf Presseanfragen hin keine Unterlagen herausrücken wollte. Erst mit Urteil des Verwaltungsgerichts erzwang ein Journalist von Cicero die Aktenherausgabe. Aus den Vermerken ergibt sich, daß das Habeck-Ministerium auf der Fachebene noch am 1. März 2022 Voraussetzungen für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke formuliert hatte. Am 3. März 2022 faßte ein Unterabteilungsleiter die Ergebnisse zusammen und schrieb, eine Verlängerung der Laufzeit sei sicherheitstechnisch über den 31. Dezember 2022 nicht vertretbar, und am 7. März kamen Wirtschafts- und Umweltministerium in einem gemeinsamen Vermerk auch zu diesem Ergebnis.
Für CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt steht fest, „daß beide Ministerien nicht aufgrund von fachlichen Erwägungen, sondern aus rein ideologischen Gründen zu einer Ablehnung des Weiterbetriebs der Atomkraftwerke gekommen sind“, wie beide Politiker in einem Brief an die Unionsabgeordneten schrieben. Ob es stimmt, „daß die Bundesregierung in einer entscheidenden Frage unserer nationalen Energiesicherheit nicht zum Wohle Deutschlands, sondern ausschließlich nach der Logik grüner Parteipolitik entschieden hat“ (Merz und Dobrindt), soll jetzt ein Untersuchungsausschuß klären. Das notwendige Quorum von 25 Prozent zur Installation des Ausschusses hat die Union.
Merz geht es um viel mehr als die Atomenergie. Er will den Grünen an den Kragen und vor allem Habeck als vaterlandslosen Gesellen darstellen. Nicht ohne Grund rief Patrick Schnieder (CDU) in der Debatte: „Es geht um ihre Glaubwürdigkeit, Herr Habeck“. Merz will das Tischtuch zu den Grünen zerschneiden, indem er Habeck vorführen läßt. Denn wenn die schwarz-grüne Option auf Bundesebene entfällt, kämen die darauf setzenden Merz-Rivalen bei der Kanzlerkandidatur, die Ministerpräsidenten Daniel Günther (Schleswig-Holstein) und Hendrik Wüst (NRW) wohl nicht mehr zum Zuge. Der Weg wäre frei für Merz, der es deshalb auch mit dem anderen Untersuchungsausschuß Cum-Ex, der der SPD Probleme bereiten könnte, nicht besonders eilig hat. Denn die SPD (und gegebenenfalls die FDP) bräuchte er als Koalitionspartner.