Erstmals sind Teile der Klimaschutzbewegung ins Visier des Verfassungsschutzes geraten. Das ergibt sich aus dem Verfassungsschutzbericht 2023, der von Behördenchef Thomas Haldenwang und Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgestellt wurde. So wird das Bündnis „Ende Gelände“ als linksextremistischer Verdachtsfall eingestuft, da eine „ständige Verschärfung von Aktionsformen bis hin zur Sabotage“ festgestellt wurde.
Grundsatzpapiere der Klimaaktivisten lassen demnach „deutlich eine Radikalisierung im Hinblick auf die vorherrschenden ideologischen Positionen der Gruppierung erkennen“. Zuletzt hatten rund hundert Angehörige der Gruppe in Gelsenkirchen das Uniper-Steinkohlekraftwerk Scholven blockiert. Auf Nachfrage empfahl die SPD-Politikerin den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, die Zusammenarbeit mit „Ende Gelände“ zu beenden.
„Wir müssen unsere Demokratie aktiv verteidigen“, forderte Faeser mit Blick auf inländischen Extremismus und zunehmende Spionagetätigkeiten Rußlands und Chinas. Dem Bericht zufolge stieg die Zahl der Linksextremisten um rund 500 auf rund 37.000 Menschen. Davon gelten etwa 11.200 als gewaltbereit. 3,7 Prozent mehr als 2022. Prominentes Beispiel ist der Anschlag auf das Tesla-Werk in Brandenburg. Im rechtsextremistischen Bereich schätzt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 14.500 von insgesamt 40.600 Menschen (2022: 38.800) als gewaltbereit ein. Die Zahl der Gewalttaten gegen Polizei und Sicherheitsbehörden ist im Berichtsjahr sogar erheblich angestiegen – und zwar um 65,6 Prozent.
„Wir haben die Islamisten im Visier“
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz äußerte sich der BfV-Chef auch zum weiteren Vorgehen gegen die AfD, deren rund 40.000 Mitglieder zu knapp 30 Prozent rechtsextremistisch seien. Ausweichend äußerte sich Haldenwang zu der Frage, ob das BfV bereits an einem Folgegutachten arbeite, die gesamte AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ hochzustufen. Das im Mai ergangene, noch nicht rechtskräftige Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Einstufung als sogenannter Verdachtsfall des Rechtsextremismus liege noch nicht schriftlich vor und müsse erst ausgewertet werden. „Wir lassen uns nicht allzu viel Zeit“. Er könne aber „in keiner Weise eine Andeutung machen, wann das Folgegutachten erstellt sein wird“. Die Beobachtung werde fortgesetzt, sagte Haldenwang und bezog den bevorstehenden AfD-Bundesparteitag Ende des Monats in Essen ausdrücklich ein.
In diesem Zusammenhang wiederholte Faeser ihre Ansicht, die Auseinandersetzung mit der AfD müsse politisch erfolgen. Ein Verbot der Partei lehne sie ab. Als „absurd“ bezeichnete die SPD-Politikerin die Ansicht des FDP-Vize Wolfgang Kubicki, sie stelle eine Gefahr für die Demokratie dar. Anstoß hatte Kubicki an Faesers Äußerung genommen, „diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen“. Haldenwang hob hervor, das BfV sei in die Ermittlungen gegen den Mitarbeiter des AfD-Europapolitikers Maximilian Krah wegen Spionage für China eingebunden. Auch ähnliche Fälle würde der Verfassungsschutz überprüfen. Nähere Auskünfte lehnte er ab.
Das Bundesamt geht von einem islamistischen Personenpotential von 27.200 Personen in Deutschland aus. Es gebe Gruppen, die zu „großen Anschlägen“ aufriefen. Eine erhebliche Rolle für die Rekrutierung von Extremisten spielten soziale Medien wie Telegram und TikTok. Gerade junge Menschen könnten mit „gut gemachter Propaganda“ erreicht werden. „Wir haben die islamistische Szene im Visier“, unterstrich die Ministerin. Es liefen Bemühungen, islamistische Gefährder wieder nach Syrien und Afghanistan abschieben zu können. Dazu gebe es Kontakte zu den Behörden in Usbekistan. Auch für Syrien gelte, „wir reden mit Nachbarländern“. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel sei der massive Haß gegen Juden stark angestiegen. Die Behörden würden hier hart durchgreifen. Es habe zahlreiche Gesetzesverschärfungen gegeben. Beispielsweise können Islamisten ohne deutschen Paß schneller abgeschoben werden.