© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/24 / 21. Juni 2024

Doch das Messer sieht man nicht
Kriminalität: Berichte über Gewalttaten mit Stichwaffen häufen sich und verunsichern die Bevölkerung
Peter Möller

Nach dem islamistischen Terrorangriff von Mannheim, bei dem ein Polizist getötet und mehrere Menschen, darunter der Islamkritiker Michael Stürzenberger, verletzt wurden, reißt die Berichterstattung über Messerangriffe in Deutschland nicht ab.

Am Montag morgen stach ein Mann in Düsseldorf-Unterbilk aus bislang unbekanntem Grund auf zwei Mitarbeiterinnen eines Wohnungslosen-Projekts ein und verletzte die beiden Frauen, bevor er von der Polizei festgenommen werden konnte. Am Sonntag hatte die Polizei im niedersächsischen Ilten bei Sehnde einen Mann niedergeschossen, der zuvor in einem Krankenhaus randaliert und die Polizisten mit einem Messer bedroht hatte. 

Am Samstag wurde ein 24 Jahre alter Mann in Ingolstadt von einem 17 Jahre alten Afghanen mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Am Freitag vergangener Woche wurde in einer S-Bahn in Hamburg ein 20jähriger von zwei Männern angegriffen und mit einem Messer verletzt.

Bundesrat fordert schärferes Waffenrecht

Ebenfalls am Freitag hatte ein 27 Jahre alter Afghane in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt zunächst einen 23jährigen Landsmann nach einem Streit mit einem Messer getötet. Daraufhin bedrohte der Angreifer mehrere Menschen in einer Kleingarten-Siedlung und drang dann auf eine private EM-Gartenparty in einer Einfamilienhaus-Siedlung ein, wo er eine 50jährige Frau, einen 75 Jahre alten Mann schwer sowie einen weiteren Mann mit Messerstichen leicht verletzte. Als der Afghane Polizisten angriff, wurde er von den Beamten erschossen. 

Nach Angaben der Polizei sind Motiv und Hintergründe der Tat bislang noch nicht bekannt. Den Behörden sei der Angreifer zuvor nicht bekannt gewesen. Hinweise für einen religiösen oder terroristischen Hintergrund gebe es nicht.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) kündigte Anfang der Woche an, die Attacke bei der Innenministerkonferenz Mitte dieser Woche, bei der es auch bereits um die Folgen des Attentats von Mannheim gehen sollte, zum Thema zu machen. Doch bereits vor der Zusammenkunft der Innenminister, deren Ergebnisse bei Redaktionsschluß noch nicht vorlagen, lief die Debatte über die Konsequenzen aus der steigenden Zahl der Messerangriffe bereits auf Hochtouren. 

Denn die Statistik deckt sich mit dem Eindruck vieler Menschen über die Zunahme entsprechender Taten. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden im vergangenen Jahr von den Behörden 8.951 Messerangriffe im Zusammenhang mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung registriert und damit 791 mehr als im Jahr 2022. Das sind durchschnittlich 24 entsprechende Attacken mit mindestens einer verletzten Person pro Tag. 

Breiten Raum in der Diskussion über mögliche Konsequenzen nimmt dabei die Frage von Messerverboten beziehungsweise die Ausweitung von Messerverbotszonen ein. Bereits im vergangenen Jahr hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein Verbot von Messern im Öffentlichen Nahverkehr ins Spiel gebracht. Experten hatten allerdings darauf verwiesen, daß derlei Regelungen kaum zu kontrolliert sind. Das gilt auch für Messerverbotszonen, über deren Ausweitung insbesondere seit der Tat von Mannheim diskutiert wird. Dennoch hat die saarländische Landesregierung mittlerweile eine Rechtsverordnung angekündigt, die es ermöglichen soll, Waffen- und Messerverbotszonen im Saarland festzulegen. Diese Zonen sollen nach Angaben von Innenminister Reinhold Jost (SPD) nicht nur auf Kriminalitätsschwerpunkte beschränkt sein, sondern überall dort eingerichtet werden können, wo „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß ein Verbot oder eine Beschränkung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist“.

Und auf Antrag der niedersächsischen Landesregierung hat der Bundesrat vergangene Woche die Bundesregierung aufgefordert, das Waffenrecht zu verschärfen. Demnach sollen unter anderem Springmesser generell verboten werden, außerdem Messer mit einer feststehenden Klinge von mehr als sechs Zentimetern Länge nicht mehr mitgeführt werden dürfen. In öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden sollten Messer grundsätzlich nur dann bei sich getragen werden dürfen, wenn sie sich in einem geschlossenen Behältnis befinden.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, forderte unterdessen eine Debatte über die Ausrüstung der Polizisten. „Da geht es nicht nur um den Taser, da geht es insbesondere auch um den Schutz von Polizistinnen und Polizisten vor Messerattacken“, sagte er dem MDR. Eine solche Elektroschock-Pistole, ein sogenannter Taser, der bislang nicht flächendeckend bei der Polizei im Einsatz ist, ermöglicht es den Polizisten, einen Messerangreifer außer Gefecht zu setzen, ohne die potentiell tödliche Dienstwaffe einzusetzen.

Foto: Polizisten mit dem Bild ihres ermordeten Kollegen vergangene Woche in Mannheim: Zahlreiche neue Fälle von Messerangriffen