Du läufst ja ’rum wie meine Oma!“ Was früher eine Beschimpfung war, ist heute ein Kompliment. Boomer sind die neuen Fashion-Trendsetter für die GenZ: Opas Strickjacke und Buntfaltenhose gehören zu den „It-Pieces“ und „Must-Haves“ der Modesaison 2024.
Mehr oder weniger bekannte „Stars“ haben es vorgemacht und sind für alltägliche Dinge wie Kaffeeholen mit „etwas zum Überwerfen“ auf die Straße gegangen, als hätten sie die Nacht im Altkleidercontainer verbracht – und wurden dabei fotografiert. Die Paparazzi-Bilder haben Influencer inspiriert, die Wäscheschränke ihrer Großeltern zu plündern und mit dem Inhalt vor der Ringlicht-Handykamera zu posieren. Darauf suchten junge Leute im Netz massenhaft nach Begriffen wie „Grandpa-Style“ und „Retro-Streetwear“. Die Schlagwörter schäumten in den Suchmaschinen und sozialen Netzwerken auf. Das bemerkten Modejournalisten, die den Opa-Look kurzerhand zum neuen Trend erklärten. Das ist in etwa die Geschichte des Großvater-Stils und der Grund, weshalb sich junge Typen anziehen wie der Weißbart aus der „Werthers Echte“-Reklame.
Es ist das große Ding bei Pinterest und in der Vogue: Pullunder mit V-Ausschnitt, Cardigans in gedeckten Brauntönen, Hosenträger, bequeme Mokassins und die Oversized-Schiebermütze auf dem Kopf. Das Bühnenoutfit von „Herbert Knebel“ ist aktuell der angesagte Party- und Flanier-Dreß. Also, Enkel: Wer jetzt die Großeltern mal wieder öfters besucht, sollte sich statt des obligatorischen 20-Euro-Scheins lieber eine olle Buxe oder Strickjoppe schenken lassen. Und statt in der hippen Trend-Boutique shoppen echte Fashion-Influencer nur noch in der Senioren-Abteilung von Deichmann.
Vielleicht wäre der politische
„Opa-Stil“ auch interessant
Der Witz ist, daß die echte Generation 1950 diesen Stil selbst kaum noch trägt, sondern mit Basecap, Turnschuhen und Kapuzenpullis versucht, jugendlich daherzukommen. Dennoch: Modemagazine feiern die „Eclectic-Grandpa-Ästhetik“ und legen uns Cord-Blazer, Karo-Muster und Schlupfschuhe mit „Bömmeln“ ans Herz. Autoren schwärmen, wie herrlich bequem diese Klamotten sind – das wußten die Vorreiter schon lange. Aber bloß nicht, daß im Zuge des Grauhaar-Trends auch Scheußlichkeiten wie die Herrenhandtasche aus den Siebzigern wieder auftauchen.
Hier einige wichtige Empfehlungen aus dem Myself Magazin: „Mit etwas Glück findest du die Key-Pieces des Grandpa Styles tatsächlich im Kleiderschrank deines Großvaters. Ist dies nicht der Fall, bekommst du sie aber auch bei Modeketten … oder in Secondhandläden. Wichtig bei Neukäufen: Damit dein Outfit aussieht, als hättest du es der Garderobe deines Opas entnommen, sollten die Kleidungsstücke schön locker sitzen. Heißt: Im Zweifelsfall eine Nummer größer wählen.“ Und merke: „Opas schwören nicht nur an kalten Wintertagen auf wärmenden Strick: Im Frühling legen sie ihren Pullover lässig über die Schultern.“ Oh, oh, Vorsicht: Sylt läßt grüßen.
Wenn jetzt noch einige (politische) Weisheiten von Opa auch wieder in Mode kämen (Es gibt nur zwei Geschlechter) oder Opas „Lifehacks“ (Kaninchen selbst schlachten), brächte das den Fashion-Fans großen Gewinn. Opa hatte auch nicht dauernd Angst vor Klima. Aber davor, daß die Russen kommen – das ist heute auch wieder aktuell.
Über die genauen Motive für den Hype rätseln die Experten übrigens noch. Wenn die jungen Hipster plötzlich um die Ecke kommen, wie ihre eigenen Großväter, vermuten ganz gewiefte Journalisten dahinter die insgeheime Sehnsucht, wieder maskuliner zu wirken. Das wäre bei etlichen Jungs von heute nur zu begrüßen. Der Dutt bei Männer-Attrappen ist nämlich eher „Grandma-Style“.