© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/24 / 14. Juni 2024

Ein Bett im Kühlschrank
Kino: Die Filmsatire „Problemista“ persifliert Kunstbetrieb und Migrationschaos – etwas viel auf einmal
Dietmar Mehrens

Dies ist die Geschichte von Alejandro.“ So beginnt, in der Originalfassung erzählt von Ingrid Bergmans Tochter Isabella Rossellini, der Film „Problemista“ von Julio Torres. Wir sehen zu den Erklärungen der Erzählerin den kleinen Alejandro Martinez und seine Mutter Dolores (Catalina Saavedra) im heimischen El Salvador. Früh zeigt sich bei dem Jungen, daß Dolores ihre kreative Begabung an ihn vererbt hat.

Als er erwachsen ist, möchte Alejandro (Julio Torres) sich als Spielzeugentwickler verwirklichen. Das geht in den Vereinigten Staaten natürlich viel besser als in einer Bananenrepublik. Und so landet der ehrgeizige junge Mann mit einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung in New York, wo er nun rasch einen Sponsor zum Erhalt eines Arbeitsvisums finden muß, also eine Firma, für die er beruflich tätig ist und die deshalb voll hinter ihm steht.

Pfiffige Ideen ergeben noch kein überzeugendes Ganzes

Alejandro erhält eine Anstellung bei Freezecorp, einem dynamisch wachsenden Unternehmen der Tech-Branche, dessen sensationelle Dienstleistung das Einfrieren von Menschen ist. Firmenmotto: „Gefroren in Sekunden.“ Hier lernt Alejandro Elizabeth Asendio (Tilda Swinton) kennen, eine Frau mit deutlichen Anzeichen für eine bipolare Störung: Sie redet ohne Unterlaß, ist immer im Recht und wird rasch hysterisch. Sie ist die Witwe (genaugenommen die Strohwitwe) des berühmten zeitgenössischen Malers Bobby Asendio (Rapper RZA). Bei dem durch verschiedene Variationen seines Lieblingsmotivs Ei vor Kulisse berühmt gewordenen Künstler wurde eine unheilbare Krankheit diagnostiziert, so daß er sich zu dem Schritt entschloß, sich so lange einfrieren zu lassen, bis eine zum Erfolg führende Therapiemethode entwickelt ist. Als Alejandro versehentlich den Stecker der Tiefkühltruhe zieht, in der Bobby lagert, und sich das Mißgeschick leider nicht vertuschen läßt, fliegt der Spielzeugentwickler in spe raus. Doch Elizabeth ist auf den erfinderischen jungen Mann aufmerksam geworden und macht ihm das Angebot, bei ihr als Computerfachmann anzufangen. Er soll ein Programm zum Laufen bringen, das kontinuierlich über alle Aufenthaltsorte der von ihrem eingefrorenen Gatten gemalten Ei-Bilder Aufschluß gibt. Die Zusammenarbeit mit der schrillen Elizabeth ist freilich nur der Auftakt für weitere Turbulenzen, von denen die meisten lustiger gemeint sind, als sie tatsächlich rüberkommen. Vielfalts-, Migrations- und LGBT-Lobby haben indes Grund für Wohlwollen: In branchenüblicher Manier werden sie hofiert.

Ein surreal anmutendes Abenteuer, das in demaskierender Absicht eintaucht in die von hippen Spinnern und spießigen Spekulanten dominierte New Yorker Kunstszene und parallel in die widersprüchlichen US-Einwanderungsregularien, sollte das Ganze werden. Herausgekommen ist ein typischer „Ich tob’ mich hier jetzt mal so richtig kreativ aus“-Film, wie man ihn von Regie-Exzentrikern wie Wes Anderson oder Michel Gondry gewohnt ist, denen der 1987 in San Salvador geborene Julio Torres offenbar nacheifert und dabei zugleich eigene Erfahrungen verarbeitet.

Die Hauptrolle mit sich selbst zu besetzen mag zwar ökonomisch sinnvoll gewesen sein, filmästhetisch war es eine schlechte Wahl. Denn als Schauspieler bringt Torres die Leinwand nicht gerade zum Strahlen. Auch sein Drehbuch läßt zu wünschen übrig. Zwar fehlt es ihm nicht an pfiffigen Ideen, wohl aber an einer pfiffigen Handlung, die aus den Einzelteilen ein überzeugendes Ganzes macht. Der Regisseur hat eine Karriere als Witzeschreiber fürs amerikanische Fernsehen hinter sich, die sich im Filmskript deutlich bemerkbar macht. Nach dem Zusammentreffen mit Elizabeth steckt der Film fest im Duett der beiden Hauptfiguren.

Damit macht der Regiedebütant aber immerhin den Titel seiner Komödie zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung: „Problemista“ bedeutet übersetzt aus dem Spanischen so viel wie „Problemmacher“. Und daß die alberne Handlung nur als Stützkorsett für die vielen kreativen Einfälle dient, mit denen der Regisseur seine Filmgroteske angereichert hat, ist ein echtes Problem für alle, die von einem Film etwas mehr erwarten als Kuriositäten und Klamauk.


Foto: Computernerd Alejandro (Julio Torres) und Elizabeth Asendio (Tilda Swinton): Auf der Suche nach Ei-Bildern