© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/24 / 14. Juni 2024

Urlauber doppelt zur Kasse gebeten
Insolvenz des FTI-Konzerns: Alle Pauschalreisen bis zum 5.  Juli storniert / Höhere Preise bei den Konkurrenten?
Christian Schreiber

Manchmal lohnt es sich doch, das Kleingedruckte zu lesen. Für Familie N. aus dem Saarland endete die Urlaubsvorfreude mit einer bösen Überraschung. Die geplante Reise auf die Kanaren dürfte enden, bevor sie begonnen hat. „Wir haben doch über Check24 gebucht, zunächst gar nicht gewußt, daß wir von der FTI-Pleite direkt betroffen sind“, sagte die Mutter zweier Kinder. So wie es der vierköpfigen Familie widerfuhr, ging es vielen Urlaubern. Die Buchungen auf Vergleichsportalen erfreuen sich großer Beliebtheit. Noch nicht angetretene Pauschalreisen müssen von FTI aus rechtlichen Gründen vollständig storniert werden.

Betroffene erhalten dann bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet, es greift der Absicherungsschutz des Reisesicherungsfonds DRSF. Über diesen sind aber keine Einzelleistungen abgedeckt: Wer nur den Mietwagen oder das Hotelzimmer über eine der insolventen Veranstaltermarken gebucht hat, profitiert nicht vom gesetzlichen Absicherungsschutz. Die Pleite des drittgrößten europäischen Reiseveranstalters ist besonders bitter, weil die Bundesregierung in der Vergangenheit versuchte, das Unternehmen zu retten. Die Bunderegierung rechnet damit, daß sie auf Staatshilfen in Höhe von über 500 Millionen Euro sitzenbleibt.

Die Pleite des Reiseveranstalters wirft viele teure Fragen auf

FTI hatte in der Corona-Krise 603 Millionen Euro Hilfen erhalten – bislang aber erst 93 Millionen Euro zurückgezahlt. Im April 2024 kündigte der US-Investor Certares schließlich an, die FTI Group samt ihrer Schulden aufzukaufen. Noch bevor der Übernahmeprozeß durchgeführt werden konnte, gingen FTI die finanziellen Mittel aus, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Auch für Urlauber, die bereits vor Ort waren, entstanden erhebliche Probleme, sie können von den Hotels abgewiesen werden. Andere Urlauber mußten vor Ort die Rechnung begleichen, weil FTI die Zahlung schuldig blieb. „Ich kenne einen Fall, bei dem ein Ehepaar und die Mutter plötzlich auf Fuerteventura im Hotel vor verschlossenen Zimmertüren standen“, zitiert das Handelsblatt die Inhaberin eines Reisebüros: „Im Beisein der Polizei wurde ihnen gesagt, daß sie nur wieder in ihre Zimmer kommen, wenn sie 4.500 Euro bezahlen. Da nutzt ein Zettel des Reisesicherungsfonds gar nichts.“ Wann der DRSF die Zahlungen erstattet, ist ungewiß. Das Krisenmanagement hat Vorrang. So wurde zum Beispiel TUI damit beauftragt, FTI-Kunden auf den Balearen, in Griechenland, auf den Malediven, in Mexiko, auf Kuba und in der Dominikanischen Republik zu betreuen. Dertour Group übernimmt im DRSF-Auftrag die Betreuung in sieben Regionen, darunter in der Türkei und auf den Kanaren.

Was am Ende von dem angeschlagenen Konzern gerettet wird, ist offen. Klar ist, daß es keine Insolvenz in Eigenverantwortung geben wird. Dem Insolvenzverwalter dürfte nichts anderes übrigbleiben, als die Liquidierung des Unternehmens durchzuführen. 11.000 Mitarbeiter könnten am Ende auf der Straße stehen. Branchenkenner berichten von „Glück im Unglück“, was die generelle Lage betrifft. Noch sind keine landesweiten Ferien, in der Fachsprache bezeichnet man den Zeitraum als „Vorsaison“. Viele Urlauber haben daher nur Anzahlungen geleistet. Die Kassen des Ausfallfonds sollen im übrigen gut gefüllt sein.

Die Probleme der FTI waren in der Branche kein Geheimnis, von einem Teufelskreis war die Rede. Zwar liefen die Buchungen über die Vergleichsportale wie Check24, Holidaycheck oder „Ab in den Urlaub“ verhältnismäßig gut, doch das Vertrauen der Reisebüros, wo in aller Regel die teureren Buchungen stattfinden, war weg. „Will ich wirklich einen Cashflow generieren, brauche ich als Veranstalter Reisebüros. Hier war das Vertrauen erschüttert, und entsprechend schmal fielen die Buchungen aus“, sagte Marija Linnhoff, Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros und fügte hinzu: „Die Kolleginnen und Kollegen in den Reisebüros haben schon vor längerer Zeit begonnen, mich zu fragen, ob sie FTI noch verkaufen können. Im vergangenen Jahr hatten sie alle noch verkauft, aber zuletzt passierte das oft nur noch auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden.“

In der Türkei erwartet die TUI erstmals über eine Million Gäste

Ein Grund war auch, daß viele Reisebüros um ihre Provision fürchten, die nicht in jedem Fall abgesichert ist. Generell hatte sich die Stimmung in der Branche wieder aufgehellt, nachdem Corona für lähmendes Entsetzen gesorgt hatte. Die Veranstalter berichten schon vor Wochen von einem guten Start in die Frühbucherphase. Bei der TUI geht man sogar davon aus, daß es noch besser als vergangenes Jahr werden könne. „Bestimmte Destinationen wie Thailand sind nach Corona erst jetzt wieder voll zu bereisen. Da sehen wir immer noch einen Nachholeffekt. Bei fast allen Zielen für den Sommer kommen die Frühbucher jetzt stark zurück, teilweise um ein Viertel mehr im Vergleich zum Vorsommer“, sagte TUI-Unternehmenssprecher Aage Dünhaupt. Mallorca habe einen hervorragenden Start hingelegt und führe die Liste der Lieblingsziele auf der Mittelstrecke an, gefolgt von Antalya. In der Türkei erwartet die TUI in diesem Jahr erstmals mehr als eine Million Gäste.

Eine ähnliche Rückmeldung kam auch vom TUI-Konkurrenten Dertour. Bei den Gästezahlen lag man für den Sommer 2024 aktuell deutlich über dem Vorjahr zum gleichen Zeitpunkt und auf dem Niveau vor Corona. Zudem würden die Menschen ihre Urlaube wieder deutlich früher buchen. Aufgrund der guten Marktlage und der zahlreichen Angebote bestand kaum noch Notwendigkeit, über FTI zu buchen. Es war am Ende daher wohl der schlechte Ruf, der eine Rettung der FTI verhinderte. TUI und auch die Lufthansa hatten die Staatshilfen, die sie während der Corona-Zeit bekamen, längst wieder zurückbezahlt. Die TUI konnte ihre Eigenkapitalquote mit Hilfe der Aktionäre wieder auf ein gesundes Niveau heben, während FTI im Herbst 2022 gerade mal 2,4 Prozent an Eigenkapital auswies. Die Quote gibt Auskunft darüber, wie hoch das Ausfallrisiko bewertet wird.

Für Familie N. besteht kaum noch Hoffnung. FTI hatte zunächst nur die Reisen bis Mitte Juni storniert. Inzwischen folgten die bis zum 5. Juli. „Für Reisen nach diesem Zeitpunkt wird derzeit nach Lösungen gesucht, um die Reisen geordnet durchführen zu können“, teilte der Insolvenzverwalter mit: „Aber versprechen können wir das nicht.“

Foto: Deutscher Reisesicherungsfonds (DRSF): drsf.reise/geschichte-des-drsf , www.fti-group.com/de/insolvenz