© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/24 / 14. Juni 2024

Grüße aus … Riad
Lockere Gesellung
Ludwig Witzani

Der Publizist Hendrik M. Broder hat einmal gesagt, das interkulturelle Verhältnis zwischen westlicher und islamischer Kultur sei erst dann ausgewogen, wenn nicht nur eine Muslima in Vollverschleierung durch Berlin, sondern auch seine eigene Tochter in Hotpants durch Riad spazieren könne.

Soweit ist es noch nicht in Riad, aber die Verhältnisse befinden sich im Fluß. Die Reformen des Kronprinzen Mohammed bin Salman sind inzwischen auch in der Öffentlichkeit angekommen, genauer gesagt im Kaffeehaus Aroma auf der Oyala Street, wo sich neuerdings gern Angehörige beiderlei Geschlechts im Straßencafé begegnen.

Hier sitzen beim Nutella French Toast, bei Sweet & Spicy Shrimps, einem Aroma Club Salad, Iced Mocha, Pistacio Latte oder bei einem alkoholfreien Holsten-Bier lauter junge Araber aus augenscheinlich gutem Hause an den Tischen und geben sich furchtbar beschäftigt. 

Mit der linken Hand spielen sie beiläufig mit ihren Autoschlüsseln, in der rechten halten sie ihr iPhone, in das sie möglichst laut hineinsprechen. Da das viele machen, übertönt ein herrisches Stimmengewirr die leise Barmusik, die vom Innern des Cafés nach außen dringt.

Eine von ihnen läßt eine besonders kesse Haarlocke über den Rand ihres Kopftuches herausragen. 

Auch die jungen Frauen, die geheimen Adressatinnen dieser demonstrativen Sprechakte, sind nicht weit. Meist treten sie in Dreier- oder Vierergruppen auf, kommen eingehüllt in eine züchtige Abaya mit hochhackigen Absätzen und Gucchi- oder Louis-Vuitton-Taschen daher und strebten mit wallenden Gewändern zuerst in einen der Luxusläden auf der Oyala Street. Dort bleiben sie aber nicht lange, sondern kommen schon bald wieder mit vollen Einkaufstüten hinaus, um an einem der Kaffeehaustische ohne väterliche oder mütterliche Begleitung Platz zu nehmen.  

Diese lockere Gesellung ohne Aufsicht in der Öffentlichkeit hätte noch vor wenigen Jahren die Religionspolizei auf den Plan gerufen. Nun sind diese Auftritte erlaubt, wenngleich es mit ins Bild gehört, daß die jungen Frauen ihre Freiheitsgrade gern noch ein wenig ausreizen. Eine von ihnen läßt eine besonders kesse Haarlocke über den Rand ihres Kopftuches herausragen, eine zweite riskiert einen beiläufigen Blick zu einem der jungen Männer, der zwei Tische weiter noch immer laut in sein Handy palavert. 

Der Tisch ist bereitet, und alles hätte geschehen können, wenn nicht diesem Augenblick eine Luxuslimousine an der Straße gehalten und die jungen Mädchen im Auftrag der Väter wieder eingesammelt hätte. Täuschte ich mich, oder wurde das Handygerede der jungen Männer während des zwitschernden Abgangs der jungen Mädchen noch etwas lauter?