© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/24 / 14. Juni 2024

Insel-Marke der Woche
Diese eine Liebe
Sven Verstegen

Die Nordseeinsel Sylt – Heimat von Seerobben, Golfanlagen und Nachtclubs, in denen junge Urlauber schon mal betrunken „Ausländer raus“ rufen – hat eine Ehrenbriefmarke erhalten. Das naßklebende Postwertzeichen zu 85 Cent wurde am vergangenen Donnerstag vom Bundesfinanzministerium offiziell herausgegeben und in Umlauf gebracht. Sylt läutete damit die Sonderpostwertzeichen-Serie „Beliebte Urlaubsziele der Deutschen“ ein. Als Begründung führte das Ministerium von Christian Lindner (FDP) – der ebendort vor zwei Jahren seine zweite Gattin ehelichte – die Vielfalt der Insel an: „Von traditionellen altfriesischen Häusern bis hin zu Luxushotels, vom erlebnisreichen Familienurlaub bis hin zum einsamen Strandspaziergang in Begleitung des Vierbeiners erfüllt die größte deutsche Nordseeinsel vor der Küste Schleswig-Holsteins und Dänemarks individuelle Herzenswünsche.“ Weiter heißt es: „Zu den Attraktionen zählen außerdem kulturelle Einrichtungen und öffentliche Events.“ Diese Mischung mache Sylt „zu einem ganz besonderen Urlaubsziel“. Die offizielle Indienststellung des Motivs ist, nun ja, vom „Timing“ her vielleicht etwas suboptimal gelaufen. Manche „Events“ dort wären wohl besser nichtöffentlich geblieben. Denn jüngst hatte ein auf Sylt aufgenommenes Video für bundesweite Schnappatmung gesorgt. Darauf ist eine feiernde Gruppe vor der „Pony“-Bar in Kampen zu sehen, die zur Melodie des Party-Songs „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ grölt. Der Philatelie-Service der Post erwähnt das Eiland der Reichen und Schönen allerdings als „Geburtsort der deutschen Surfkultur“; nicht der Suff-Kultur, möchte man ergänzen. „Kampen war immer meine Zuflucht, wenn die Zeiten mulmig waren“, bekannte der Schriftsteller Ernst von Salomon einmal. Aber Zeiten ändern sich halt ...