© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 25/24 / 14. Juni 2024

Ländersache: Bayern
Söder will Ruhe bewahren
Christian Schreiber

Ein zerstörtes Altenheim steht stellvertretend für die verheerenden Folgen der Hochwasser-Katastrophe in Bayern. Das Starkregen-Ereignis verlief hier weniger glimpflich als wenige Wochen zuvor im Saarland, wo im nachhinein neben den vorbildlichen Abläufen beim Katastrophenschutz auch das besonnene Verhalten der Bevölkerung gelobt wurde. 

Im Zentrum der Kritik steht im Freistaat nun Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). 2018 hatte der damalige bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) für mehrere Flutpolder an der Donau geworben. Dabei handelt es sich um eingedeichte Gebiete, die bei einem Flußhochwasser gezielt geflutet werden können. Nach der Landtagswahl 2018 wurde das Projekt verhindert. Aiwanger erklärte damals, dies sei überflüssig und zu teuer, „weil so ein Polder ja nur alle hundert Jahre mal geflutet wird“. Nun habe ihn die Realität eines Besseren belehrt, meinen seine Kritiker. 

In den Kommunen ist das Entsetzen groß über den Zickzack-Kurs der Politik. „Wir brauchen definitiv mehr Hochwasserschutz“, sagte beispielsweise Günzburgs Landrat Hans Reichhart (CSU). Auf die Frage, ob bisher zu wenig getan wurde, sagte er: „Zu wenig ist relativ.“ Es gebe zum Beispiel an der Mindel ein großes Rückhaltebecken, einen sogenannten Polder – „ohne den wären wir komplett abgesoffen“. Laut Reichhart ist Hochwasserschutz ein komplexes Thema. Und hier kommt wieder Aiwanger ins Spiel. Gerade in ländlichen Gebieten ist das Kopfschütteln groß, daß der Wirtschaftsminister vor Jahren mit dem Thema Hochwasser Wahlkampf betrieb. Zumal er seine Blockade-Haltung später wieder aufgab. Doch offenbar zu spät. 

Von den geplanten neun Poldern ist bisher erst einer gebaut. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, wirft Aiwanger Sabotage vor. Der kontert und schiebt die Schuld auf Grundbesitzer und Bürokraten. Zudem sei die Finanzierung oftmals wackelig. Da kommt dann Ministerpräsident Markus Söder ins Spiel: „Wir haben an gar nichts gespart“, meint der. 

Die Regierung hat schnelle und unbürokratische Hilfe angekündigt. Das Hochwasser in Bayern und dem benachbarten Baden-Württemberg hat nach einer ersten vorläufigen Schätzung Schäden in einer Größenordnung von etwa zwei Milliarden Euro verursacht. Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft mitteilte, liegt der Schaden damit etwa zehnmal so hoch wie beim Pfingsthochwasser im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

Hart getroffen hat die Naturkatastrophe auch Bayerns Landwirte: „Die Wassermassen haben oft große Teile der Ernte für dieses Jahr vernichtet“, sagte Markus Drexler, Sprecher des Bayerischen Bauernverbandes (BBV). „Die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen wie Getreide, Rüben, Kartoffeln und Mais, aber auch an Sonderkulturen wie Feldgemüse, Erdbeeren oder Himbeeren erreichen ein Ausmaß, das in Zahlen derzeit gar noch nicht bezifferbar ist.“ Die Aufarbeitung dürfte also noch einige Zeit dauern. Die Politik ist unterdessen wieder in den Normalmodus zurückkehrt. Man müsse in Ruhe analysieren und die Lehren daraus ziehen, hieß es aus der Staatskanzlei.