© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/24 / 07. Juni 2024

Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben
Maximilian Krah, der unter Druck geratene AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, definiert seinen strategischen Politikansatz von rechts
Lothar Höbelt

Ein Politiker, der allzu munter plaudert, geht ein gewisses Risiko ein. Denn den Wächtern der Political Correctness entgeht so leicht kein Anzeichen der Ketzerei. Si tacuisses, philosophus mansisses. Doch soll ein Politiker sich überhaupt allzu viel mit Philosophie abgeben? Krahs „Politik von rechts“ ist ein gutes Beispiel dafür. Das Buch ist nicht schlecht geschrieben, mit so manchen treffenden Formulierungen, wie „Man wird nicht rechts, weil man Rechten zuhört, sondern weil man Linken zuhört“. Aber interessiert den potentiellen Wähler wirklich, ob er sich jetzt als „rechts“, „konservativ“ oder „bürgerlich“ betrachten soll? Natürlich gilt die AfD als rechts – und dazu soll man ruhig stehen. Aber gerade der Begriff „rechts“ läßt sich schwer gemeingültig definieren. Genau diese Sfumato macht ja Formulierungen wie „gesichert rechtsextrem“ zu einem solchen intellektuellen Armutszeugnis, was beim Personal des entsprechenden Autorenkollektivs freilich nicht weiter wundernimmt.

Krah trifft durchaus ins Schwarze mit vielen seiner Analysen und Vorschlägen: Zielpublikum der Rechten ist der „abstiegsbedrohte Mittelstand“; auch wenn er den Staat rührenderweise immer wieder seiner Zuneigung versichert („der Rechte ist Etatist“), gibt er zu, wir brauchen ein „massives Maß an Deregulierung und Steuersenkung“; er spricht sich für den Freihandel aus; die beste Antwort auf die Energiekrise ist eine neue Generation von Kernkraftwerken. Nicht unlogisch, aber brisant der Vorschlag, Rentenansprüche an die Zahl der Kinder zu binden, die dafür schließlich aufkommen müssen. 

Über diverse Exkurse in die Weltpolitik wollen wir besser den Mantel mildtätigen Schweigens breiten. Vielleicht nur soviel: Die Vorstellung, daß ein plötzlich vernünftig gewordenes Deutschland von einem „woken“ Amerika gebremst werden könnte, ist eine recht utopische Annahme: Die Rechte ist fast überall anders mehrheitsfähiger als in der Bundesrepublik.

Krah hat leider recht, wenn er schreibt: „Die aktuellen Wirtschaftseliten haben es nicht vermocht, ihre elementaren Interessen wirkmächtig zu verteidigen.“ Aber gerade dieses harte Urteil verträgt sich schlecht mit der Behauptung: „Gewinnmaximierung bedarf der Schrankenlosigkeit.“ Da wäre ein Volontariat bei Lobbyisten nützlich: Welcher Konzern kämpft schon für die freie Entfaltung der Konkurrenz? Sondern für Subventionen, staatliche Aufträge und den Schutzzoll – wie immer der sich gerade nennt, und sei es Boykott. Allerdings: Wenn von einer Maßnahme eine Minderheit von Unternehmen disproportional profitierten – und die große Mehrheit zwar darunter leidet, aber nicht existentiell gefährdet wird, setzt sich die aktivistische Minderheit todsicher durch. Apropos: Herr Schwab mit seinem „Great Reset“ eignet sich als Zielscheibe blendend, ernst zu nehmen ist er deshalb nicht: Echte Verschwörer plappern nicht öffentlich soviel Unsinn.   

Kurios ist das Kompliment, das Krah gerade seinen erklärten Gegnern zollt, die er konsequent als „Linksliberale“ apostrophiert, die individuelle Freiheit angeblich als höchsten Wert betrachten. Da fragt sich denn doch, was an Leuten, die – euphemistisch formuliert – „Meinungskorridore einengen“, aus Klima-Hysterie Auflagen bis hin zur De-facto-Enteignung verordnen und gewaltbereite Linke subventionieren, auch nur im geringsten liberal sein soll, mit oder ohne Präfix? Sympathisch anmuten mag die Warnung vor der „populistischen Versuchung“. Ein wenig mehr logische Stringenz wäre ab und zu durchaus willkommen. Nur verfällt Krah in das entgegengesetzte Extrem: Ihm schwebt nichts weniger vor als die Schaffung einer „Gegenkultur“, eines „lebendigen Milieus“, das „durch seinen Habitus erkenn- und unterscheidbar ist“. Da gerät der Politiker schnell zum „Guru“, oder sogar zum Lebensreformer. 

Krah scheint vernarrt in das Beispiel der Grünen, die dieses Muster vorexerziert hätten und verachtet das Milieu der CDU, „westdeutsch, katholisch, kulturkonservativ“ – dem früher oder später aber doch auffallen muß, wie sehr es sich mit „Brandmauern“ in die Geiselhaft der Linken manövriert. Die europäische Rechte braucht nicht philosophische Köpfe auf der Suche nach dem „Stein der Weisen“, sondern Bündnisfähigkeit, um die schweigende Mehrheit zu mobilisieren, die ihre Kritik teilt. 

Maximilian Krah: Politik von rechts. Ein Manifest. Verlag ­Antaios, Schnellroda 2024, gebunden, 227 Seiten, 20 Euro