Nachdem die Bergpartei am 2. Juni 1793 mit Hilfe der Sansculotten die gemäßigte Revolutionsregierung der Gironde in Paris gestürzt hatte, ergriff die neue Revolutionsregierung drastische Maßnahmen, um den royalistischen Aufstand in der Vendée vollends niederzuschlagen. Teil II über den Aufstand der Royalisten
Im Juli 1793 stand Frankreich in Flammen. Am Rhein, an der Mosel, in Nordfrankreich und den Österreichischen Niederlanden kämpften die französischen Revolutionsarmeen gegen die Koalitionstruppen. In Westfrankreich war wegen der Massenaushebung von 300.000 Wehrpflichtigen und der zunehmenden Entchristlichung Frankreichs ein Aufstand royalistisch gesinnter katholischer Bauern ausgebrochen. Das Aufstandsgebiet umfaßte die „Vendée militaire“ und spielte sich nördlich wie südlich der Loire zwischen den Städten St. Nazaire und Saumur in den alten königlichen Provinzen Poitou, Anjou und Teilen der Bretagne ab.
Obwohl die Republikaner im Juni 1793 einen Angriff der katholisch-königlichen Armee unter Oberbefehl von Jacques Cathelineau bei Nantes abgeschlagen hatten und Cathelineau tödlich verwundet worden war, ging der Aufstand in der Vendée mit unverminderter Härte weiter (JF 16/24). Im sumpfigen Süden des Aufstandsgebiets kämpften die bäuerlichen Scharen von François Athanase de Charette de la Contrie einen erbitterten Guerillakrieg gegen die Republikaner, während im Norden die katholisch-königliche Armee unter ihrem Generalissimus Maurice Joseph Louis Gigost d’Elbée sich den Blauen weiterhin in offener Feldschlacht stellte.
Hoffnung auf weitere Erhebungen und englische Unterstützung
Wie sich schnell herausstellte, war die Kampfkraft der royalistischen „Weißen“ weiterhin ungebrochen. Nach wie vor gelang es ihnen, die „Blauen“ – so der Spitzname der republikanischen Truppen – in mehreren Gefechten und Schlachten zu besiegen. Dabei erhielten sie im Oktober 1793 auch Unterstützung von mehreren tausend Royalisten aus der Bretagne, den sogenannten „Chouans“, deren Erkennungszeichen der Käuzchenschrei war.
Der Wohlfahrtsausschuß zeigte sich wegen der vielen Niederlagen der republikanischen Truppen alarmiert. Seine Mitglieder, allen voran Maximilien de Robespierre, bezichtigten die republikanischen Befehlshaber in der Vendée, die Generäle Armand-Louis de Gontaut, Herzog von Biron; und Jacques-François Menou, nicht nur der Inkompetenz, sondern auch des Hochverrats. Beide wurden vor das Revolutionstribunal gestellt. Menou hatte Glück und wurde freigesprochen, Biron indes zum Tode verurteilt und gegen Jahresende guillotiniert. Doch dabei blieb es nicht.
Angesichts der Bedrohung durch die Vendée beschloß der Wohlfahrtsausschuß am 1. Oktober 1793 die Aufstellung der „Armée de L’Ouest“, der Armee des Westens, durch den Zusammenschluß der Küstenarmee von La Rochelle, der Mainzer Armee und eines Teils der Küstenarmee von Brest. Ihr Auftrag war klar und unmißverständlich: Niederwerfung der royalistischen Rebellen und Zerstörung der Vendée, wobei die kampferfahrenen Divisionen der Mainzer Armee unter General Jean-Baptiste Kleber die Speerspitze bildeten.
Nun veränderte sich die republikanische Kriegsführung im Oktober 1793 gründlich. Die Vendéens kämpften jetzt nicht mehr nur gegen unerfahrene Nationalgardisten, sondern auch gegen Kriegsveteranen, die ab November nach mehreren Wechseln im Oberbefehl von so fähigen Offizieren wie den Generälen François Séverin Marceau und Jean-Baptiste Kléber kommandiert wurden. Die neue Armee des Westens schlug die Royalisten erst bei Châtillon, dann bei Mortagne und La Tremblaye. Der Sieg öffnete den Blauen die Straße nach Cholet, das sie unmittelbar darauf besetzten.
Das konnten die Vendéens nicht zulassen. Cholet war ein strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Am 17. Oktober versuchten sie daher, den Ort mit aller Macht wiederzuerobern. Stundenlang tobte die Schlacht. Vergeblich bemühten sich die Führer der „Weißen“, d’Elbée und La Rochejacquelein, unter Einsatz ihres Lebens im erbitterten Nahkampf den „Blauen“ den Ort zu entreißen. Die Republikaner hielten stand. Der Angriff der Vendéens brach zusammen, d’Elbée wurde mehrfach von Kugeln getroffen. Nun flüchteten die Königstreuen zu Hunderten zur Loire, in der Hoffnung dem gnadenlosen Terror der nachsetzenden „Blauen“ zu entgehen.
Nach der Verletzung d’Elbées, wurde der erst zwanzigjährige Henri de La Rochejacquelin neuer Kommandeur eines etwa 60.000 Köpfe zählenden Heerhaufens, der zu diesem Zeitpunkt schon mehr den Scharen der Völkerwanderung als einer Armee glich. Im Troß der Bauernkämpfer befanden sich viele Greise, Frauen und Kinder sowie Verletzte. Verzweifelt versuchte La Rochejacquelein in der sogenannten „Virée de Galerne“ – dem Zug des Nordwestwindes – in einem irrwitzigen Kriegszug die normannische Küste zu erreichen, um die Bretagne zur Erhebung zu animieren und sich im Hafen von Granville mit sehnlichst erwarteten englischen Hilfstruppen zu verbinden. Der Angriffsstoß scheiterte. Weder gelang es den Rebellen, Granville zu erobern, noch erschien auch nur ein Schiff der Royal Navy mit englischer Infanterie.
Die Vendéens beschlossen den Rückzug in ihre Heimat südlich der Loire, verfolgt von den Republikanern. Noch einmal errangen die gottgläubigen Bauernscharen in der zweitägigen Schlacht von Dol einen letzten großen Sieg über die Revolutionstruppen, der die Geschlagenen 12.000 Mann kostete. Bereits wenig später wurden die Royalisten beim Versuch, Angers auf ihrem Weg in ihre Heimat zu erobern, zurückgeschlagen. Als die Rebellenarmee sich daraufhin nach Le Mans zurückzog, schlug die Armee des Westens sie Mitte Dezember in einer zweitägigen Schlacht. Das Gemetzel war grauenhaft. Die Königlichen verloren 15.000 Mann. Ihre Frauen, Kinder und Kämpfer flüchteten panisch in die Wälder der Umgegend und schlugen sich nach Savenay durch. Mehrere tausend gefangene Royalisten wurden standrechtlich erschossen.
Die versprengten Reste der königlich-katholischen Armee flüchteten nun westwärts. Während La Rochejacquelein mit nur hundert Mann die Loire auf Booten überqueren konnte, wurde der Rest der Rebellenarmee bei Savenay von den nachsetzenden Revolutionstruppen eingeholt und dort am 23. Dezember 1793 vernichtet. Nur 4.000 Vendeéns gelang die Flucht, etwa 6.000 fielen. 600 Kämpfer wurden sofort erschossen, der Rest des Heeres, meist Frauen, Kinder und Greise nach anfänglicher Gefangennahme später in Nantes hingerichtet.
Bei all diesen Gemetzeln tat sich auf republikanischer Seite General François-Joseph Westermann unrühmlich hervor. In einem am 23. Dezember 1793 verfaßten Brief an den Nationalkonvent prahlte er mit seinen Heldentaten: „Es gibt keine Vendée mehr, ich habe sie soeben in den Sümpfen und Wäldern beerdigt. Ich habe die Kinder unter den Hufen der Pferde zertreten und die Frauen massakriert. Ich muß mir nicht zum Vorwurf machen, auch nur einen Gefangenen gemacht zu haben. Ich habe alles vernichtet.“
Zwischen „Weißen“ und „Blauen“ folgte ein grausamer Guerillakrieg
Nicht jeder Offizier der Revolutionsarmee rühmte sich derartiger Taten. Im Gegensatz zu Westermann widerten den Oberbefehlshaber der Armee des Westens, Marceau, die Massaker an den Vendéens an. In einem Brief Marceaus an seine Schwester tadelte er sie scharf wegen ihrer Siegesglückwünsche an ihn: „Meine liebe Schwester, du schickst mir Glückwünsche (…) Weißt du nicht, daß sie mit Menschenblut befleckt sind, mit dem Blut von Franzosen? Ich werde nicht wieder in die Vendée zurückkehren; ich bin zu abgeneigt, gegen Franzosen zu kämpfen.“ Marceau ließ seinen Worten Taten folgen und wurde kurz darauf erst durch Kléber, dann durch General Louis Marie Turreau ersetzt.
Die totale Niederlage der Royalisten bei Savenay beendete die existentielle Bedrohung, die die katholische und königliche Armee der Vendée für die Französische Republik dargestellt hatte. Von nun an entbrannte ein grausamer Guerillakrieg zwischen den „Weißen“ und „Blauen“, die mit den „Höllischen Kolonnen“ zum Todesstoß der königstreuen Bevölkerung ansetzten.
Paul-Émile Boutigny, „Henri de La Rochejaquelein in der Zweiten Schlacht bei Cholet am 17. Oktober 1793“, Gemälde von 1899: Das Gemetzel war grauenhaft