Das Frankfurter Städel-Museum zeigt seit einiger Zeit in kleinen Sonderausstellungen gegenständliche Gegenwartskunst. Bis Februar sorgten dort die fluoreszierend leuchtenden Porträts des rumänischen Malers Victor Man für Aufmerksamkeit. Nun hängen in einem Kellergeschoßraum die großformatigen Ölgemälde eines österreichischen Duos. Seit den 1990er Jahren arbeiten die 1962 geborenen Künstler Markus Muntean und Adi Rosenblum zusammen. Beim genauen Betrachten der von den beiden entwickelten Szenerien bemerkt man deren Künstlichkeit im Zusammenspiel der dargestellten Personen. Die Figuren wirken seltsam aneinander vorbeischauend und vorbeilebend, so als wären sie weitgehend isolierte Individuen in den sie umgebenden Großstadtszenerien. So läßt sich zum Beispiel die Szene von wartenden Reisenden an einem Flughafen-Gate („What Lies Ahead ...“; 2023) nicht entschlüsseln, weil jede der Personen eine eigene, unbekannte Geschichte in sich trägt: ein blondes Mädchen im Schneidersitz, ein aufspringender Junge, ein Mann in sein Tablet vertieft.
Freiräume für die Interpretation
Das kann durchaus auch symbolische Absicht sein, um Vereinzelungstendenzen zu thematisieren. Indes, es ist auch das Ergebnis des Arbeitsprozesses. Die Bilder von Muntean und Rosenblum sind nämlich Collagen. Die beiden nutzen ein umfangreiches Archiv an Fotografien aus Lifestyle-Magazinen und dem Internet. Am Computer setzen sie diese zu neuen Szenerien zusammen und übertragen die Konzeption dann in ihre Malerei. Die Erzählung der Bilder bleibt offen und bietet so Freiräume für Entdeckungen und die Interpretation des Betrachters. Auffällig, und ein Ergebnis des gesammelten Fundus, ist die Auswahl der Personen. Es sind in der Regel junge, sportliche Menschen, die dem Schönheitsideal unseres westlichen Zeitgeistes entsprechen. Dadurch werden sie auch Träger unserer Sehnsüchte.
So entstehen interessante Bildkompositionen. Etwa beim Spiel mit dem Vanitas-Motiv in „Nothing Fixes A Thing ...“ (2016). Eine junge Frau mit kurzem blonden Haar, offenbar in einem Büro sitzend, den Betrachter stumm anblickend, während moderne Symbole von Vergänglichkeit und Tod vor ihr auf dem Tisch liegen: eine Packung Zigaretten, Alkohol in Form einer Bierdose, eine Fast-Food-Pizza, ein Totenkopf. Kraftvoll, fast schon zu religiösem Kitsch aufgeladen, wirkt hingegen eine Szenerie junger „Parkour“-Turner. Über Steinpoller springen sie, üben Poledance-Drehungen an einem Lichtmast und scheinen mit muskulösem freiem Oberkörper direkt in den Himmel zu fliegen.
Die Ausstellung „Muntean/Rosenblum: Mirror of Thoughts“ ist bis zum 1. Dezember im Frankfurter Städel-Museum, Schaumainkai 63, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, zu sehen. Der Katalog (Verlag für Moderne Kunst ) mit 114 Seiten kostet 32 Euro
www.staedelmuseum.de
Foto: Markus Muntean/Adi Rosenblum, „What Lies Ahead ...“, 2023: Großstadtszene