© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/24 / 07. Juni 2024

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Frage an die CDU-Wahlkampfzentrale: Warum sind auf Großplakaten zur Europawahl am 9. Juni mit Friedrich Merz und Ursula von der Leyen zwei Politiker abgebildet, die überhaupt nicht zur Wahl stehen?

Es muß nicht immer das Stadion, das Open-Air-Festival oder die große Halle sein, gute Musik läßt sich auch auf Kleinstbühnen erleben. Zum Beispiel im Oranienwerk, einem Gebäudeensemble des ehemaligen Kaltwalzwerkes Oranienburg nördlich von Berlin. Heute ist aus der einstigen Fabrik ein Ort unterschiedlichster kultureller Angebote geworden, Musik, Theater, Comedy, Ausstellungen. Zudem können Ateliers und Büros angemietet werden, und es stehen Veranstaltungsräume zur privaten oder kommerziellen Nutzung zur Verfügung. Dorthin nun verirrte sich vergangenen Samstag der junge US-Amerikaner Michael James Wheeler, ein Singer-Songwriter, der ursprünglich aus Vermont stammt und heute in Nashville, Tennessee, zu Hause ist. 2022 veröffentlichte er seine Debüt-LP „Roll Another Dime“. Im Oranienwerk, seinem ersten Auftritt in Deutschland, präsentierte er eine Mischung aus Country, Folk und Honky-Tonk-Musik – vor nur rund sechzig (!) Zuhörern. Dabei hätte der Sänger „von der Art Straßenköter-Troubadour“ (so ein Rezensent auf „Maximum Volume Music“) mit seiner markanten Country-Stimme und in dieser reizvollen Location ein Vielfaches ein Zuspruch verdient gehabt.

Klug und lehrreich erkundet der Autor, was die Endlichkeit für unsere Lebensführung bedeutet.

Wenn Soziologen etwas über Heavy Metyal herausfinden, was der gesunde Menschenverstand längst weiß, klingt das so wie bei dem an der Friedrich-Schiller-Universität Jena lehrenden Hartmut Rosa (58) in einem Gespräch mit der Zeitschrift Psychologie heute (Juni-Ausgabe): „Die Härte und Kraft der Musik, aber auch die absolute Verläßlichkeit des rhythmischen Grundgerüsts aus Schlagzeug und Baß schaffen Sicherheit. Das ist eine Art psychoemotionales Grundvertrauen – der nächste Beat kommt so sicher wie der nächste Herzschlag –, das es erlaubt, den Abgründen unserer Welt furchtlos ins Antlitz zu schauen, die existentiellen Fragen einmal auszuhalten, vor denen wir ansonsten gerne davonlaufen.“


Zur Lektüre sei in dieser Woche ein großes Gelehrtenwerk empfohlen: „ Die Kunst des Lebens, die Kunst des Sterbens“ von dem ehemaligen FAZ-Redakteur Lorenz Jäger. Leben und Tod erscheinen uns seit Sigmund Freud „ineinander verflochten“ zu sein, schreibt Jäger und zitiert Martin Heidegger: Dasein ist „Sein zum Tode“. Klug und lehrreich spaziert der Autor durch kulturhistorische Räume und Zeiten, um zu erkunden, was die Endlichkeit für unsere Lebensführung bedeutet. Lesen!

Lorenz Jäger: Die Kunst des Lebens, die Kunst des Sterbens.  Rowohlt Berlin, 2024, gebunden, 268 Seiten, 25 Euro