Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Wochenbericht 21/24) hat die europaweite Gasnachfrage modelliert, um Ausstiegsszenarien zu simulieren. Denn trotz Sanktionen stammen 14 Prozent des deutschen Erdgases aus Rußland, wobei Pipelinegas vielerorts durch russisches Flüssiggas (LNG) ersetzt wurde. Österreich importiert 95 Prozent seines Bedarfs aus Rußland.
Die gute Nachricht des Berliner DIW: Eine stärkere Diversifizierung der Quellen ist möglich, wobei vor allem Norwegen in die Bresche springen soll, aber auch Katar, Aserbaidschan oder Turkmenistan. Ob man dann ruhiger schlafen kann? Zumal der dominierende LNG-Anbieter USA recht teuer ist und Exportbeschränkungen plant. Im Kontext der behaupteten Klimaschädlichkeit fossiler Brennstoffe müsse ohnehin eine vollständige Reduktion des Gasverbrauchs angestrebt werden, mahnt Claudia Kemfert, Leiterin der DIW-Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt. Damit wäre das „Russengas“ kein Thema mehr; beide Ziele – das klimapolitische und das sanktionspolitische – wären gleichermaßen abgeräumt.
Leider fallen bei den Analysen Kosten und Nebenwirkungen mal wieder unter den Tisch. So werden die Gaspreise sträflich vernachlässigt. Obwohl diese sich verglichen mit 2022/23 abschwächen, liegen sie immer noch deutlich über dem Niveau von vor dem Ukrainekrieg. Grund hierfür dürfte unter anderem sein, daß preiswertes russisches Pipelinegas durch teures amerikanisches LNG ersetzt wurde. Eine Mitschuld trägt auch der deutsche Fiskus, der den Gasverbrauch eines durchschnittlichen Mehrfamilienhauses stark belastet: Nach einer Analyse des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) beträgt der Anteil der Steuern und Abgaben 22 Prozent der Gasrechnung. Während dieses Geld überwiegend beim deutschen Staat verbleibt, kommen die hohen Importrechnungen den Lieferländern zugute, also den USA & Co. Aber kann über den Preis, also die steuer- wie sanktionsbedingte Verteuerung des Erdgases, überhaupt die politisch gewünschte Umstellung auf erneuerbare Energien herbeigeführt werden? Nur in Grenzen.
Denn bei der Stromerzeugung ist Gas kein Ersatz für Wind und Sonne, sondern eine Ergänzung der beiden. Die geplanten und noch zu bauenden Gaskraftwerke bezeugen, daß es ohne ein „Backup“, also eine Auffanglösung für Zeiten der Dunkelflaute – keine Sonne, kein Wind – einfach nicht geht. Wir werden also, mal mehr, mal weniger, auf das Erdgas, welcher Herkunft auch immer, angewiesen sein. Eine künstliche Verteuerung des Gases, sei es durch das relativ teure LNG, sei es durch die Bevorzugung nicht-russischer Lieferanten, sei es durch den deutschen Fiskus, ist ein Schuß ins eigene Knie. Da dieses „Backup“-Gas nicht durch noch so viele Windturbinen und PV-Module ersetzt werden kann, entfacht der hohe Preis keinerlei Lenkungswirkung.
Er belastet einfach nur Wirtschaft und Verbraucher. Wenn gleichzeitig Rußland sein preiswertes Gas Ländern wie China und Indien verkauft, also an Konkurrenten auf dem Weltmarkt, dann verliert Deutschland gleich doppelt an Wettbewerbsfähigkeit; eine Abwanderung von Unternehmen und Wohlstandsverluste sind die Folge. Ganz unabhängig vom russischen Gasimport gehört das ganze Konstrukt der sogenannten Energiewende auf den Prüfstand. Professorin Kemfert vom ampeltreuen DIW und Mitgründerin der Greta-Sekte „Scientists for Future“, dürfte für diese Aufgabe ungeeignet sein.