© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/24 / 07. Juni 2024

Grüße aus … Wien
Schlimmer geht immer
Robert Willacker

Politiker werden im Lauf ihrer Karriere oft von der Vergangenheit eingeholt. Daß der Karrierebeginn dafür nicht zwingend lange zurückliegen muß, stellt Lena Schilling aktuell unter Beweis. Das Gesicht der österreichischen Klimabewegung ist erst 23 Jahre alt und führt die österreichischen Grünen trotz ihres Alters als Spitzenkandidatin in die EU-Wahl. 

Noch bemerkenswerter als ihre Jugend ist jedoch die Tatsache, daß Schilling über keinerlei parteipolitische oder gar parlamentarische Erfahrung verfügt. Ihre Spitzenkandidatur ist vielmehr das Ergebnis eines erfolglosen internen Kandidatenfindungsprozesses der Grünen, bei dem es Parteikennern zufolge mehr Absagen hagelte als für das Traineramt beim FC Bayern München. 

Zweifel an Schillings Eignung wurden parteiintern zwar mehr als nur in Zimmerlautstärke geäußert, von der Parteiführung jedoch trotzdem überhört. Ein Fehler, wie sich schnell zeigen sollte: Kaum war Schilling zur Spitzenkandidatin gekürt, trat die linke Tageszeitung Der Standard mit schwerwiegenden Anschuldigungen gegen die bisherige „Fridays-for-Future“-Aktivistin an die Öffentlichkeit. 

Grünen-Chef Werner Kogler sprach von „anonymen Gemurkse und Gefurze“ und mußte später zurückrudern. 

Die junge Grüne soll rufschädigende Falschbehauptungen, darunter unzutreffende Belästigungsvorwürfe, über politische Mitstreiter und Journalisten in die Welt gesetzt haben, so die Tageszeitung unter Berufung auf eidestattliche Erklärungen von Weggefährten Schillings. Auch veröffentlichte Chatnachrichten zwischen der Neo-Grünen und politischen Vertrauten haben es in sich: „ich hab niemanden so sehr gehaßt wie die Grünen mein leben lang“, so Schilling noch vor wenigen Monaten. 

Laut Standard habe sie mit Freunden auch einen Wechsel zur Linksfraktion gedanklich durchgespielt. Der Umgang der grünen Partei mit der Causa ist indes mit „amateurhaft“ noch wohlwollend umschrieben. Werner Kogler, Parteichef und immerhin Vizekanzler der Republik, tat die Vorwürfe auf einer Pressekonferenz wörtlich als „anonymes Gemurkse und Gefurze“ ab und mußte später ob dieser Wortwahl zurückrudern. 

Auch die grüne Generalsekretärin Olga Voglauer trat ins Fettnäpfchen, als sie die Berichterstattung als eine Kampagne mit „Silberstein-Methoden“ bezeichnete. Silberstein ist der Name eines umtriebigen israelischen Politikberaters, der mit dieser Causa jedoch nichts zu tun haben dürfte. Antisemitismusvorwürfe gegen die grüne Parteispitze waren die Folge, und erneut mußte kräftig gerudert werden. 

Ausgestanden dürfte die Sache für Schilling indes noch nicht sein. Zwar hält die Partei an ihr fest, doch der für den Standard und den Spiegel tätige Investigativjournalist Oliver Das Gupta schrieb unlängst auf X, vormals Twitter, mit Blick auf die Causa: „P.S.: Schlimmer geht immer. Mark my words.“