© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/24 / 07. Juni 2024

„Ich dachte schon, jetzt gibt’s Ärger!“
Basiert gegen Merkelismus: Wie ein junger Student mittels eines T-Shirts das CDU-Parteiprogramm ändert
Hinrich Rohbohm

Sein Shirt machte ihn populär. Für Linke wurde er zur Reiz-, für konservative Christdemokraten zur Kultfigur. Die Rede ist von Oliver Häusler, einem 20 Jahre alten CDU-Mitglied, das auf dem Bundesparteitag in Berlin Anfang Mai für Furore sorgte. Schuld daran trägt unter anderem besagtes Hemd. Türkis ist es. Jene Farbe, die Sebastian Kurz einst bei der österreichischen ÖVP eingeführt hatte, um der zuvor dahinsiechenden Partei auf erfolgreiche Art und Weise auch optisch wieder Leben einzuhauchen.

Eine Idee, die vor einigen Jahren auch die CDU unter Friedrich Merz übernommen hat und sich damit vom jahrelang verwendeten Orange der Ära Merkel verabschiedete. Doch Oliver Häusler geht es eigentlich um Inhalte, nicht um Farben. Und so steht auf seinem Hemd die Forderung, mit der er bundesweit Schlagzeilen machte. „Abschiebungen ins Grundsatzprogramm.“ Eine Parole, die nicht nur Linke, sondern auch überzeugte „Merkelianer“ innerhalb der CDU empört. Häusler postete ein Foto von sich mit seinem Shirt auf der Zugfahrt zum CDU-Landesparteitag im baden-württembergischen Ludwigsburg. Und erntete einen regelrechten Shitstorm von links. Beleidigungen. Gewaltandrohungen. Was den Vorsitzenden der Jungen Union Filder nicht davon abhält, weiter für seine Forderung zu werben.

Oliver Häusler sitzt im Uni-Café der Ludwig-Maximilians-Universität von München, diesmal ohne sein CDU-Shirt. „Das käme hier an der Uni, glaube ich, nicht so gut an“, schmunzelt er. Schon einmal hatte er hier gesessen und über seinen Antrag gesprochen.  „Von hier aus nahm die Sache ihren Lauf“, schildert er im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT.

„Was ist das für ein Laden, daß die das nicht merken?“

Was kaum einer über ihn weiß: Häusler war als Teenager noch ein Anhänger von „Fridays for Future“, hatte mit den Christdemokraten damals noch wenig am Hut. Die Großeltern waren Sozialdemokraten, hatten sich „bei irgend so einem Gewerkschaftstreffen kennengelernt“, wie er berichtet. Bei ihm wurde das Interesse für Politik schon in der zweiten Klasse geweckt. „Wir hatten eine Dokumentation über weggeworfenes Essen in der Schule gesehen.“ Das habe ihn bewegt. 2019 beginnt er im Alter von 15 Jahren, sich für Fridays for Future zu engagieren. „Die Ziele, für Umweltschutz einzutreten, fand ich nicht schlecht“, gibt er seine damaligen Beweggründe wieder. „Ich bin über Freunde dazu gekommen, aber es war schon eine Entscheidung, wo ich auch dahinterstand.“  

Zwei Jahre dauerte es, bis er sich von der Klimabewegung zunehmend distanziert hatte. „Es ging da zunehmend um linksradikale Projekte und Ideologie, der Umweltschutz diente nur als Deckmantel“, resümiert er heute. Mit 17 tritt er in die Junge Union ein. Die Klima-Union hingegen lehnt er entschieden ab. „Um Himmels willen, die sind gegen Kernkraft“, meint er dazu nur.

Der Informatik-Student, der ab dem kommenden Wintersemester das Fach wechseln und an einer Fachhochschule Datenschutz und IT-Sicherheit studieren wird, hatte sich Anfang des Jahres mit Freunden vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) im Uni-Café zusammengesetzt und an einem Mitgliederantrag zum CDU-Bundesparteitag getüftelt. „Den Antrag hatte ich selbst geschrieben, aber Leute aus dem RCDS München gaben mir wertvolle Formulierungshilfen“, verrät der gebürtige Badener.

„Wer die Sicherheit unserer Gesellschaft genießt, aber selbst gefährdet, darf nicht in Deutschland bleiben“, kommt dabei als Forderung heraus. Und weiter heißt es in dem Antrag: „Um die Sicherheit und Ordnung in Deutschland weiterhin zu gewährleisten, wollen wir straffällig gewordene Nicht-EU-Bürger nicht nur ausweisen, sondern auch konsequent abschieben.“

Es ist ein Antrag, für den man in der CDU auf einem Bundesparteitag noch vor wenigen Jahren wahrscheinlich ausgebuht worden wäre. Doch die Zeiten in der Partei haben sich nicht nur farblich geändert. Statt Merkel heißt der Vorsitzende jetzt Merz, statt Peter Tauber ist Carsten Linnemann der Generalsekretär.

Geblieben ist die offensichtliche Ablehnung durch Vertreter der öffentlich-rechtlichen Medien. „Ende April bin ich mit meinem T-Shirt auch auf dem CDU-Landesparteitag in Baden-Württemberg gewesen“, erzählt Häusler. Er spricht dort auch mit Justizministerin Marion Gentges über seinen Antrag, holt sich Anregungen ein. Und postiert sich mit seinem T-Shirt medienwirksam am Saaleingang, durch den später EU-Spitzenkandidat Manfred Weber hereinkommen wird. „Ich hatte mich genau dort hingestellt, wo Weber vorbeiläuft. Dadurch kam ich beim Südwestrundfunk ins Bild.“ Das Hemd mit dem Spruch: gut sichtbar.

Häusler will sich das Ganze später ansehen. Und staunt nicht schlecht, als er den Beitrag des Senders aufruft. „Die haben mich da einfach rausgeschnitten, so, als hätte ich da überhaupt nicht gestanden.“ Er zeigt das Video der jungen freiheit auf seinem Mobiltelefon. „Man sieht mich am Ende der ersten Einstellung ganz kurz, dann folgt ein Schnitt um wenige Sekunden.“ Er fragt beim Sender nach dem Warum und Wieso. Eine Antwort erhält er nicht. „Die haben mir nur ein Augen rollendes Smiley geschickt.“

Häusler läßt es nicht darauf beruhen, postet die Videosequenz am 27. April um 7.23 Uhr auf seinem Twitter-Profil. „Wenige Stunden später hatte der Beitrag bereits 10.000 Aufrufe“, erinnert er sich. Eine weitere Stunde später waren es bereits 46.000, bis zum Abend sollten es 600.000 werden. Zuletzt hatte der Beitrag 1,6 Millionen Aufrufe von Leuten erhalten, die sich die Bildmanipulation ansahen.

Keine Manipulation hingegen war eine Idee des Jungpolitikers, um seinen Antrag für den Parteitag innerhalb der CDU bekannter zu machen. Der Informatiker Häusler programmierte kurzerhand ein automatisches Anschreiben über seinen Account bei CDUPlus, dem mitgliedsinternen Kommunikationssystem der Christdemokraten. „Per Direktnachrichtenfunktion erreicht man so Tausende von CDU-Mitgliedern“, erklärt er.

Die Folge: Die in der Partei sonst nur spärlich genutzte Funktion erlebt innerhalb kürzester Zeit einen regelrechten Boom. Plötzlich fanden sich in dem System 30.000 Direktnachrichten, 80 Prozent davon kamen von Oliver Häusler. „Ich dachte erst, was ist das nur für ein Laden, daß die das nicht merken.“

Doch sie merken es. „Waren Sie das mit den vielen Direktnachrichten?“ fragt ihn auf dem Parteitag Jonathan Schreyer, Geschäftsführer der Union Betriebs GmbH. „Ich hatte schon einen totalen Schreck bekommen und dachte, jetzt gibt es Ärger“, erinnert sich der 20jährige. Aber es gab keinen. Häusler hatte mit seiner Aktion gegen keine der Nutzungsvereinbarungen des CDUPlus-Systems verstoßen. 

Und was wurde aus dem Mitgliedsantrag? „Der ist tatsächlich von der Antragskommission angenommen und vom Parteitag verabschiedet worden“, erzählt Häusler. „Wer Schutz in Deutschland sucht und die Sicherheit unseres Landes genießt, diese aber selbst gefährdet, darf nicht in Deutschland bleiben“, steht jetzt im Grundsatzprogramm der CDU. Ein Satz, der zu Zeiten Angela Merkels undenkbar gewesen wäre. Allerdings: „Der Passus mit der Abschiebung hat es nicht ins Programm geschafft.“ Noch nicht. Denn daß Häusler und seine Freunde in der Jungen Union und dem RCDS daran arbeiten werden, um vor allem die älteren Christdemokraten von dessen Notwendigkeit zu überzeugen, gilt als wahrscheinlich.

Foto: Christdemokrat Oliver Häusler: Schon seit der zweiten Klasse interessiert sich der ehemalige „Fridays for Future“-Anhänger für Politik