Nach dem Tod des 29jährigen Polizisten Rouven L. im Zusammenhang mit dem mutmaßlich islamistischen Messerangriff auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger (siehe Seite 7) ist auch eine Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan entbrannt. Der 25jährige Afghane Suleiman Ataee, der 2013 nach Deutschland gekommen war und trotz abgelehnten Asylantrags hierbleiben konnte, hatte dem Beamten auf dem Mannheimer Marktplatz mehrfach in Kopf und Hals gestochen.
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) legte im Zuge dessen eine Beschlußvorlage für die Innenministerkonferenz (IMK) für Abschiebungen von afghanischen Straftätern vor. „Die IMK bekräftigt ihre Erwartung, daß auch für afghanische und syrische Staatsangehörige, die aufgrund der Begehung schwerer Straftaten oder aufgrund der Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen muß“, heißt es darin. Rückführungen nach Afghanistan sind seit der Machtübernahme der Taliban 2021 ausgesetzt. Den Abschiebestopp hatte der damalige Bundesinnnenminister Horst Seehofer (CSU) verfügt.
Der Beschlußvorlage zufolge soll die Innenministerrunde die Bundesregierung auffordern, eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan und in der syrischen Region Damaskus vorzunehmen. Rückführungen sollen über bestehende Flugverbindungen abgewickelt werden. Zudem solle die Bundesregierung Verhandlungen mit Islamabad aufnehmen, um Afghanen über die pakistanische Grenze in das Nachbarland zu überstellen.
„Große Sorge angesichts der Verrohung in unserem Land“
Bei der Union stieß der Vorschlag auf offene Ohren. „Es ist spät, aber immerhin: Hamburg und die Bundes-SPD erwachen endlich beim Thema Abschiebung“, meinte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Beschlüsse der IMK müssen einstimmig angenommen werden, sind für die Bundesregierung jedoch nicht bindend. Allerdings hieß es aus dem Bundesinnenministerium, Nancy Faeser (SPD) werde prüfen, wie Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan ermöglicht werden könnten.
Bereits unmittelbar nach der Bluttat in Mannheim forderte auch die AfD Abschiebungen nach Afghanistan. „Die Zuwanderung aus Afghanistan muß beendet und Rückführungen dorthin in Angriff genommen werden“, teilten die AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla und Alice Weidel mit. Gegenrede kam von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Mit der Schreckensherrschaft der Taliban ist Afghanistan in die Steinzeit zurückgefallen. Aus gutem Grund schieben wir daher nach Afghanistan nicht ab“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Sie plane derweil die Aufnahme von weiteren 10.000 Afghanen.
Zuvor hatten Politiker aller Couleur entsetzt auf den Messerangriff in Mannheim reagiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilte mit: „Es bestürzt mich zutiefst, daß der mutige Polizeibeamte nach dem furchtbaren Angriff in Mannheim seinen schweren Verletzungen erlegen ist. Sein Einsatz für die Sicherheit von uns allen verdient allerhöchste Anerkennung.“ Scholz kündigte ein konsequentes Vorgehen gegen Übergriffe auf Sicherheitskräfte an, ohne jedoch konkrete Maßnahmen zu benennen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ergänzte: „Ich habe große Sorge angesichts der Verrohung der politischen Auseinandersetzung und der wachsenden Gewaltbereitschaft in unserem Land. So darf es nicht weitergehen.“ Aus diesem Anlaß änderte der Bundestag seine Tagesordnung für eine Regierungserklärung des Kanzlers zur aktuellen Sicherheitslage.
Unterdessen hat am Dienstag die AfD-Bundestagsfraktion mehrheitlich einen Antrag der Abgeordneten Roger Beckamp, Beatrix von Storch und René Springer abgelehnt, den in Mannheim niedergestochenen Islamkritiker Stürzenberger noch in diesem Monat in eine ihrer Fraktionssitzungen einzuladen. Stattdessen stimmte man dafür, eine Veranstaltung mit ihm durchzuführen. Im abgelehnten Antrag, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, hieß es, Stürzenberger sei jemand, „der die Gefahren des radikalen Islams „bereits seit Jahren unablässig und mutig anspricht“ und dessen Mut man „kaum hoch genug einschätzen“ könne. Die AfD-Fraktion müsse sich deswegen „dringend solidarisch ihm gegenüber verhalten“.